Donnerstag, 4. Januar 2018

Gedanken zum Faden und Lebensfaden

Die Festtage sind verklungen. Da und dort grüsst man sich auch heute noch mit dem Glückwunsch «Ä guets Nöis» (ein gutes neues Jahr). Aber Tag um Tag zeigt sich jetzt auch wieder vermehrt der Alltag.
In diese Zeit gehören für mich auch bildhafte Gedanken. Ich sehe Freunde und Verwandte vor mir, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Und ich sinniere über mein eigenes Leben und über Gedanken, die mich zeitlebens begleitet haben. Und jetzt erinnerte ich mich gerade, dass ich vor ungefähr 20 Jahren für die Zeitschrift Natürlich einen Text geschrieben habe, der für diese erwähnte Anfangszeit eines Jahres immer noch gültig ist.

Der Titel heisst: Lebensfaden
«Warum empfinde ich mit zunehmendem Alter, dass die Jahreskreise sich schneller folgen? Auch meine Mutter sprach es kurz vor ihrem Tod einmal aus, dass sie diese Zeit wie auf einem Karussell drehend erlebe.

Keine Zeit mehr zu haben, Zeit, die so schnell verrinnt, darüber sprechen viele. Wir müssen heute nicht mehr warten. Es gibt nicht nur die grossen Feste im Jahr. Ereignisse reihen sich an Ereignisse wie Perlen auf einer Schnur.

Und doch könnte es sein, dass die letzten Lebensjahre wirklich kürzer und schneller laufend sind. Wieder einmal hilft mir beim Philosophieren meine Alltagserfahrung. Ich denke an einen Wollfaden, der langsam zu einem Knäuel gewunden wird. Der Faden als Lebenszeit. Wir winden ihn auf, indem wir aufwachsen, lernen und das Leben erproben. Eines schönen Tages ist aus dem eigenen Faden ein ansehnlicher Knäuel geworden. Unser Potenzial. Wann diese Mitte erreicht wird, bleibt ein Geheimnis. Doch sobald der Knäuel fertig geworden ist, wickelt er sich schon wieder ab. Er zieht seine Kreise, verschenkt seine Fülle und Kraft. Je länger er dreht und von seinem Umfang verliert, desto kleiner werden seine Umdrehungen. Wir täuschen uns also nicht, wenn wir die letzten Lebensjahre als wirblig und schnell verlaufend erleben.»


Den Faden als Symbol habe ich wohl von meinen Eltern in die Wiege bekommen. Beide arbeiteten damals in Webereien. Faden und Stoff sind Bilder, die sie mir offensichtlich unbewusst vermittelt haben. Mutter nähte und strickte auch viele Kleidungsstücke für ihre 5 Kinder und der Vater verstand es, uns die Qualität eines Stoffes beizubringen. Und mein Mann Primo beschäftigte sich mit dem Faden als Lebensfaden, indem er jene Bildtafel schuf, die ich auch schon gezeigt habe.
Blog vom 24.2.16. Lebensweg oder Lebensfaden, auch roter Faden genannt

Heute habe ich aus meinem sehr bescheiden gewordenen Posten Strickwolle ein Reststück geholt, um den Faden-Knäuel zu zeigen.
Und ich dachte dabei auch an Felicitas, unsere 1. Tochter, ausgebildet als Textil-Designerin, die beruflich in verschiedenen Branchen immer auch mit dem Faden arbeiten durfte.
Edles Material. Design Felicitas Lorenzetti

Als sie im Sommer bei uns zu Besuch war, benützte sie meine Nähmaschine und entdeckte gleich die Unordnung meiner verschiedenfarbigen Fäden. Ob sie mir Ordnung schaffen dürfe? Ja gern. Das Resultat: Siehe Foto.
Sie freute sich ungemein, mir alle Fäden einzuordnen.
Ich bewundere immer wieder ihre Detailtreue, weil ich dieses Talent nicht besitze.

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