Dienstag, 21. Februar 2017

Geschenk eines Augenblicks

Kornhaus und Mühle

Den dazugehörigen Text schrieb ich vor mehr als 20 Jahren. Eine Leserin hat mich dieser Tage auf die kleinen Texte, die ich damals fürs Textatelier Hess von Biberstein geschrieben habe, angesprochen. Sie erschienen in der Zeitschrift Natürlich. Die Texte wurden damals von der Redaktion noch auf Papier angenommen. Ich besass zu jener Zeit noch keinen Computer. Darum bin ich in meinem Archiv nicht mehr auf sie gestossen.
Nun habe ich sie aber im Internet gefunden. www.textatelier.com Bereich Artikel nach Autoren und Wer was geschrieben hat.

Hier stelle ich den Text Geschenk eines Augenblicks vor:

In meinem Quartier ist die Zürcher Stadtmühle angesiedelt. (Heute ist sie die grösste Getreidemühle der Schweiz. Swissmill ihr Name.) Wenn die Getreide-Lieferungen zu ihr hin rangiert werden, muss der Verkehr anhalten. Die Eisenbahn-Waggons überqueren dann die viel befahrene Limmatstrasse am Escher-Wyss-Platz.

Da stand ich auch wieder einmal und wartete. Es war der Todestag meiner Mutter. Sie starb unerwartet. Mein Leben stand damals für einen Augenblick ebenfalls still. Noch ganz benommen und auf grenzüberschreitenden Wellen schaute ich den vorbeiziehenden Waggons nach. In der Regel interessiert es mich, woher die Getreidelieferungen kommen: Von Kanada, Holland, Finnland, Norddeutschland usw. Und der Zucker aus Paris. Diesmal schaute ich den Federn zu, wie sie es ermöglichen, mit starren und schweren Wagen aus Eisen Kurven zu fahren. Dieses Schwingen! Faszinierend. Und sofort wusste ich: Meine heute verstorbene Mutter war eine solche Feder. Beweglich, hilfsbereit, spontan. Gar nicht starr oder stur. Und sofort wusste ich auch noch, dass dies ebenfalls meine Aufgabe im Leben sei.

Seither sind Jahre vergangen und jedesmal, wenn ich, auf meinem Velo sitzend, die Vorbeifahrt des Getreidezuges abwarten muss, erinnere ich mich an jenen Tag, der mir eine Erschütterung, aber auch eine tiefe Einsicht gebracht hat.


* * *

Seit ich in Zürich-Altstetten lebe, habe ich keine Beziehungen mehr zum Getreidezug. Der Escher- Wyss-Platz wurde komplett umstrukturiert und meine spärlichen Velofahrten in die Innenstadt tangieren ihn nicht.

Der Hinweis der erwähnten Leserin auf die damaligen kleinen Geschichten, haben meinen Gwunder (meine Neugier) geweckt. Ich wollte wissen, wo der Getreidezug heute aus dem SBB-Gelände Zürich-Hardbrücke auf seiner nur ihm zugedachten Schiene über Tramschienen und auf der Strasse zur Mühle führt.

Danke allen, die dafür sorgen, dass wir unser tägliches Brot essen können.
Getreidezug in Zürich angekommen. Zug wartet.

Von Zeit zu Zeit öffnet sich die Abschrankung. Der Kornzug verlässt hier das SBB-Trasse.

Sirene und abends Lichter sorgen für Sicherheit.

Geleisewirrwar unter der Hardbrücke. Baustelle.

Schnur gerade zum Escher-Wyss-Platz.

Ab Sihlquai mit offenem Schotter.

Ziel erreicht.

Absauganlage bereit.

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