Donnerstag, 21. Juli 2016

Wir Frauen in Köln – Fortsetzung

Geschichten aus der Vergangenheit
Ingrid gehörte auch zu den Frauen, die meinen Aufenthalt in Köln bereicherten. Zusammen besuchten wir den Dom. Sie führte mich durch die Pforte der Barmherzigkeit. Eine Überraschung für mich. Bisher bin ich noch auf keine Kirche gestossen, die ihrem Hauptportal die Aufgabe übergeben hat, den Eintretenden die Barmherzigkeit zu bringen, um sie zur Mitte des Glaubens zu führen. Dieses Anliegen gehört zum Heiligen Jahr, das noch bis zum 20. November 2016 dauert.

Unser Besuch im Dom war von keiner Feier oder keinem Konzert begleitet. Still gingen wir durch diesen hohen Raum. Ingrid bedauerte, dass er zu oft nur noch wie ein Museum betrachtet und behandelt werde. Man sollte ihn doch erleben können, wenn ihn die Menschen mit Gesängen und Musik erfüllen und ihren Glauben feiern. Ich verstehe ihr Anliegen gut. Und doch freue ich mich jedes Mal, auch wenn ich den Dom nur kurz besuchen kann. Der Grund liegt bei den Heiligen Drei Königen, die Köln mit Zürich verbinden. Im Jahr 1164, auf der Überführung ihrer Gebeine von Mailand nach Köln, soll der feierliche Zug in Zürich gerastet haben.

Im Kölner Dom ist der goldene Schrein, der sie beherbergt, nicht zu übersehen.

Ihrer Legende begegnen wir in Zürich z.B. in einem Geschichtlichen Exkurs der Zunft zu den drei Königen. Zusammenfassend heisst es dort, entscheidend sei nicht die wissenschaftliche, sondern die gelebte Wirklichkeit. Es sei unbestreitbar, dass die drei Könige in Zürich eine wesentliche Verehrung erfahren haben. Und es wird auch noch auf die 1950/51 erbaute katholische Kirche Dreikönigen in Zürich-Enge verwiesen.

Am 18. Juni 2016 überraschte uns im Tages-Anzeiger der von Helene Arnet verfasste Bericht «Als die Heiligen Drei Könige in Zürich waren». Ihre Legende wurde plötzlich wieder einmal beleuchtet. Im Zusammenhang mit aktuellen Renovationsarbeiten im Zürcher Fraumünster konnte eine zugemauerte Tür neben dem Chor geöffnet werden. Ebenso wurde es möglich, den Zugang zur bisherigen, auch unzugänglichen Marienkapelle herzustellen. Diese sei ein geschichtsträchtiger Raum, lese ich im Bericht, weil hier die Reliquien der Drei Könige auf ihrem feierlichen Zug nach Köln geruht hatten.

Immer noch im Dom: Abrupter Szenenwechsel
Dieses Boot steht auch im Dom, in einer bescheidenen Nische.
Ingrid kannte seine Geschichte bereits und wies sachte daraufhin. Ich konnte lesen:

Christus sitzt im Flüchtlingsboot

Dieses Boot wurde von der Maltesischen Armee bei einem Rettungseinsatz auf dem zentralen Mittelmeer beschlagnahmt. Mit Unterstützung der Hilfsorganisation MOAS hat das Erzbistum Köln das Boot zur Veranschaulichung der dramatischen Situation von Malta nach Köln bringen lassen. Das 7 Meter lange Fischerboot aus Holz ist typisch für den Einsatz durch libysche Schleuser auf der Route von Libyen nach Italien. Es war mit bis zu 100 Menschen besetzt. Die Flüchtlinge haben keinerlei Möglichkeit, sich vor Sonne, Kälte oder Wellen zu schützen. Gepäck, Proviant oder Wasser dürfen meist nicht mitgenommen werden, um mehr Platz für zusätzliche zahlende «Passagiere» zu lassen.
www.erzbistum-koeln.de


Auch im Rückblick fehlen mir immer noch Worte zu dieser erschütternden Realität.

Samstag, 16. Juli 2016

Wir Frauen in Köln

Die Reise ab Zürich nach Köln vollzog sich nicht wie gewohnt. Ein Unwetterschaden am Geleise zwang die Deutsche Bahn an jenem Tag, den Zug rechtsrheinisch zu führen. Dieser Umweg verlangte seine Zeit. Mein Ziel erreichte ich deshalb über eine Stunde verspätet.

Zugsbegleiterinnen verteilten noch vor der Ankunft in Köln Formulare die berechtigten, die persönliche Verspätung zu melden. Dieser Tage wurde mir bereits der nach dem Fahrgastrecht zustehende Betrag in Form einer Guthabenkarte zugestellt. Reisen nach Köln haben es in sich. Sie vermitteln mir jedesmal ein Zusatzerlebnis.

In Köln angekommen, blieb ich dort stehen, wo ich den Zug verlassen hatte. Andere Reisende waren vor nur wenigen Minuten im Untergrund verschwunden, als mich Tochter und Enkelinnen wartend fanden. Ich stand allein auf dem Perron, war leicht zu finden. Wir freuten uns. Es war ein aussergewöhnlicher Empfang. Alle haben mich gleichzeitig umarmt. Solche Momente gehören für mich zu den schönsten im Leben.
Ich war nach Köln gekommen, um mich wieder einmal mit Felicitas Schwiegermutter zu treffen. In ihrer Familie waren wir beide Mutter und Schwiegermutter und auch Grossmutter. M. lud mich am Tag nach der Ankunft zu einem Spaziergang an den Rhein ein. Da hörte ich einen lange gehegten Wunsch von ihr. Jedesmal wenn sie hierher gekommen sei, habe sie davon geträumt, einmal ihre Hände in den Rhein zu tauchen.

Die hier üblich reissenden Wassermassen stellten sich ihrem Wunsch bisher entgegen. Ich fand, jetzt sei der Moment aber günstig. Machen wir das! Im Umfeld der S-Bahnstation Bayenthal flutete der Rhein über sein Bett hinaus. Leichte Wellen schwappten streckenweise auf den Wanderweg. Hier konnten wir den Rhein sorglos berühren und dem Wasser zuschauen, wie es über die Böschung und den Rand des Fussgängerweges rollte.

Auf dem Heimweg offerierte Nora uns Grossmüttern eine Glacé. Mama hatte ihr Geld zugesteckt, damit sie uns ein Eis kaufen könne. Sie beschrieb zwei Eisdielen. Wir mussten entscheiden. Das näher gelegene Geschäft verkaufe einige wenige Glacésorten, die engros eingekauft werden. In der weiter entfernten Bude würden die Eisspezialitäten nach eigenen Rezepten hergestellt, seien darum viel besser, die Auswahl grösser und auch teurer.

Wir zielten alle auf die grosse Auswahl hin. M. war aber etwas müde geworden und wollte wissen, wie weit und wie lange der Weg dorthin noch sei. Nora begriff intuitiv, dass sie jetzt das letzte Wegstück interessant machen musste.

So zeigte sie auf eine weit entlegene, kaum zu erkennende rote Firmentafel und begann sofort ein Spiel, das uns die Müdigkeit vergessen half und uns gleichzeitig vorwärts brachte. Wir mussten schätzen, wie viele Schritte bis zur roten Tafel noch zu gehen seien. Sie nannte eine Zahl als Grundlage. Und wir schätzten unsere eigene dazu. Und korrigierten diese nach und nach. So vergingen dann Müdigkeit und Langeweile und wir trafen in einer nach italienischem Vorbild aufgebaute Gelateria ein. In einer Ecke entdeckte ich sofort einen kleinen Tisch und Stühle. Dort konnten wir uns niederlassen. Wir wählten unser Eis aus einer nicht gezählten, grossen Auswahl. Es schmeckte uns. Wir fühlten uns gut. Und die ganze Atmosphäre dieses Ladens nahm uns für sich ein.

Die Methode, die Nora anwandte, damit wir den Weg zum Ziel nicht abbrachen, sie kam mir bekannt vor. So wie das Kind die Grossmütter führte, so lenkten wir seinerzeit unsere Töchter auch ab, wenn sie müde oder widerständig geworden waren. Diese Methode funktioniert also immer noch.

Nora hatte dieses Geschäft mit der vielfältigen Glacéauswahl perfekt angepriesen, weil sie es kannte. Sie wusste, dass es sich lohne, dorthin zu pilgern. Wir verstanden sie sofort, als wir dort ankamen.
Die vielfältige Glacéauswahl, die Nora versprochen hatte, war den langen Weg wert. Für den Heimweg waren wir sogar purlimunter geworden, wie wir im Dialekt sagen, wenn wir rundum zufrieden und unternehmungslustig sind. Selfi: Grossmutter und Enkelin