Freunde aus anderen Landesteilen haben mir und meiner Familie schon
oft unbekannte Orte erschlossen. Und so halten wir es auch. Auch wir
bringen die Region, in der wir leben und von der wir beeinflusst sind,
unseren Freunden näher.
Ich wünschte mir schon lange, die heilige Ottilie kennen zu lernen. Im Kanton Zürich hören wir diesen Namen selten. Auch die ihm zugrunde liegende Legenden waren uns unbekannt.
Alex und Marianne, echte Basler, wussten Bescheid.
Ottilie sei eine von 3 Schwestern, die als Klausnerinnen auf
verschiedenen Hügeln lebten und sich untereinander mit Zeichen
verständigt hätten. Morgens mit Glocken, abends mit Öllichtern. Sie
luden uns auf eine Fahrt auf die 3 Hügel ein.
Seitdem ich das Buch „wild und weise“ (Weibsbilder aus dem Land der Berge) kenne, bin ich hellhörig auf mythische oder heilige Frauengestalten, die zu dritt auftreten. Ursula Walser-Biffiger
hat mich in ihrem Buch mit dieser Dreiheit bekannt gemacht. Es seien
die 3 Aspekte der grossen Göttin: Die frühlingshafte Jungfrau, die reife
Frau in ihrer Vollkraft und die weise, sehende Greisin.
Später bin ich in Köln in der Basilika St. Aposteln den heiligen Frauen Barbara, Margareta und Katharina
begegnet. Hier handelte es sich um die 3 Nothelferinnen, die ebenfalls
zusammengehören. Andernorts spricht man von heiligen Frauen, die zu
dritt auftreten, von den „drei Bethen“. Walser-Biffiger schreibt dazu:
„Die Drei Bethen verkörpern das immerwährende, ewig sich erneuernde
Leben.“ Sie anzurufen, nannte man „bethen“, beten.
In Zürich wurde ich in der Weihnachtszeit in einem Geschäft mit
italienischen Süssigkeiten auf den Panettone „Tre Marie“ aufmerksam. Der
Verpackungskarton zeigte 3 Frauen, 3 Marien. Ihre Attribute: Das Mass,
das Ei, der Kuchen.
Zu einem Artikel über „Frauen, die das Schicksal bestimmen“
erschien in der katholischen Zeitschrift „Forum“ 7/2003 ebenfalls eine
Darstellung dieser Dreiheit. Hier wurde aber auf die nordische
Mythologie verwiesen und die Edda zitiert. 3 Frauen sitzen hier am
Lebensbaum an 3 Wurzeln mit der dreifachen Quelle und spinnen die
Schicksalsfäden. Abgeschlossen wurde dieser Beitrag mit dem
schweizerdeutschen Kindervers „Rite, rite Rössli“ (Reite, reite,
Rösslein!), in dem ebenfalls auf 3 Mareien oder Marien verwiesen wird.
Die Schicksalsgöttinnen – es sind wieder 3 – spinnen in diesem
Kinderreim Seide, schnetzeln Kreide und spinnen Haferstroh.
Und neu habe ich dieser Tage auf der erwähnten Fahrt in Basel und
Umgebung 3 weitere solcher Frauen kennen gelernt. 3 Schwestern, die sich
auf verschiedenen Hügeln als Klausnerinnen angesiedelt hatten. Ihre
Legende stammt aus frühchristlicher Zeit. Margaretha in Binningen am
Stadtrand von Basel, Ottilia oberhalb von Lörrach auf dem Tüllinger
Berg, also jenseits der Landesgrenze in Deutschland und Chrischona am
westlichen Dinkelberg oberhalb von Bettingen BS.
Alle 3 Plätze sind alte, sakrale Orte. Solche Drei-Frauen-Legenden
knüpfen vielfach an Glaubensvorstellungen aus vorchristlicher Zeit an,
zum Beispiel an Gestalten wie die keltisch-römischen Matronae, die
germanischen Nornen oder an die Dreifaltigkeit der Mond-, Erd- und
Sonnenmutter, heisst es in einer Information zu den Kirchen auf den drei
Hügeln.
Interessant fand ich, dass in der Kirche St. Ottilien, die selber
Teil eines alten Drei-Frauen-Kultortes ist, ein Fresko erhalten ist, das
auf andere 3 Frauen hinweist: Maria Magdalena, Maria Salome und Maria Kleopas am Grab Christi.
Mich faszinierten auf dieser Reise immer auch die Ausblicke über
Stadt und Landschaft. Auch nach Frankreich und Deutschland hin. Und am
Ausgangsort St. Margarethen, wo wir die Kirche nicht betreten konnten,
weil sie sich in Renovation befindet, wurde der Blick über die Stadt
Basel zur Hauptattraktion. Ich freute mich, die Distanzen zu sehen, die
wir zurücklegen werden und die wir ohne Auto nicht in einem Tag so
gemütlich bewältigt hätten.
2 der Kirchen gehören zur Evangelischen Kirche. St. Chrischona am
westlichen Dinkelberg oberhalb Bettingen wurde 1966 der Evangelischen
Pilgermission überlassen. Auf dieser traumhaften Anhöhe mit Blick auf
Basel und die Alpen befindet sich auch der Hauptsitz der Pilgermission
mit Theologischem Seminar.
Ein altes Gebäude aus Holz, genannt Eben Ezer, sprach mich
besonders an. Ich wähnte mich bei den Amischen. Diese auf das alte
Testament bezogene Bezeichnung übersetzt Wikipedia mit „Stein der
Hilfe“. Ein Ort, der Gottes Präsenz markiert?
Am Abend gab Marianne unserem Ausflug den Namen „Drei Hoger-Tag“. (Hoger = Hügel). Und Alex nannte bereits neue Ziele für weitere Ausflüge zu mythischen Orten im Dreiländereck.
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