Im Bus
Jetzt gerade erinnere ich mich an eine Busfahrt vom Sommer 2013. Da
sass eine junge Frau, vielleicht aus Skandinavien, schräg vor mir. Sie
trug ein schwarzes, ärmelloses Leinenkleid. Ich bemerkte, dass ihre
Armkugeln tätowiert waren. Um ihr Kind kümmerte sie sich keinen
Augenblick. Sie arbeitete während der langen Fahrt konzentriert auf dem
E-Book, derweil die Kleine sich für alles interessierte, was es zu sehen
oder zu hören gab. Es war ein ausserordentlich zufriedenes Kind. Es
blickte aus dem Kinderwagen Richtung Tür und konnte über die vielen
Stationen Kinder und Erwachsene beobachten, wie sie aus- oder
einstiegen. Noch bevor ich am Ziel war, schob die Frau ihr Arbeitsgerät
plötzlich ins Etui, löste die Bremse am Kinderwagen, machte einige
Schritte Richtung Tür und stand noch einen Augenblick still, bis der Bus
anhielt. Da sah ich auf dem entblössten Rücken tätowierte Engelsflügel.
Zu Fuss im Park
Am Pfingstmontag fuhren Primo und ich erstmals nach Schönenwerd SO, um den Bally-Park endlich kennenzulernen. Auf Bahnreisen ab Aarau wurden wir schon öfters auf ihn aufmerksam. Zudem hatte Walter Hess
schon am 25.8.2006 in einem Blog ausführlich über diesen Ort berichtet.
Wir wussten also, dass wir eine Schönheit vorfinden werden. Und waren
dann von ihr sofort eingenommen. Dieser Ort darf Oase sein. Bäume,
Teiche, Wege sind zu einem Gesamtkunstwerk im englischen Stil gestaltet,
ansprechend auch die miniaturisierten Pfahlbauten. Ihnen gegenüber
verweilten wir lange, schauten, wie das dümpelnde Wasser Moosfetzen
langsam, sehr langsam, mit sich zog. Eine Stimmung, wie sie von
Europäern vielleicht in einem buddhistischen Kloster erlebt wird.
Wahrscheinlich befanden wir uns ebenfalls auf Alphawellen.
Der sehr heisse Tag oder vielleicht das verlängerte
Pfingstwochenende mögen weitere Besucher ferngehalten haben. Wir fühlten
uns alleine, auch wenn hie und da andere vorüber gingen.
Und dann entdeckten wir plötzlich einen Hinweis auf eine besondere
Geschichte. Auf einer der Informationstafeln im Park lasen wir von einer
Marienstatue, die zur Zeit der Reformation 1512, nach dem
Bildersturm in Bern, in die Aare geworfen worden sei. In Schönenwerd
dann ans Land gezogen. Und von den Anwohnern willkommen geheissen.
Dieses Ereignis soll die Marienwallfahrt nach Schönenwerd begründet
haben.
Auch in Zürich wurden zur selben Zeit religiöse Bilder ins Wasser (in die Limmat) geworfen. Auch aus Wut der Religion gegenüber. Und nach dem heute nicht mehr gültigen Sprichwort: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Wir fanden anschliessend den Weg zur Christkatholischen Kirche, in der die Marienstatue immer noch beheimatet sei. Sie war aber geschlossen. Immerhin durften der Kreuzgang besucht und die Rosenpracht bewundert werden.
Auf einer Bank im aargauischen Bahnhof Baden
Auch in Zürich wurden zur selben Zeit religiöse Bilder ins Wasser (in die Limmat) geworfen. Auch aus Wut der Religion gegenüber. Und nach dem heute nicht mehr gültigen Sprichwort: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Wir fanden anschliessend den Weg zur Christkatholischen Kirche, in der die Marienstatue immer noch beheimatet sei. Sie war aber geschlossen. Immerhin durften der Kreuzgang besucht und die Rosenpracht bewundert werden.
Auf einer Bank im aargauischen Bahnhof Baden
Wir sassen auf einer Bank im Bereich Gleis 1. Mit dem Rücken zum
alten, immer noch gepflegten und gehegten Bahnhofgebäude, das
Vergangenheit und Gegenwart respektvoll verbindet. Wir warteten auf die
S-Bahn nach Zürich-Altstetten. An einem solchen Ort zu sitzen und die
Reisenden zu beobachten, das ist in Zürich nicht mehr möglich.
Vergleichbare Sitzgelegenheiten sind verschwunden. Hier schauten wir zu,
wie Reisende ankamen oder wegfuhren. Wir beobachteten Kinder, die aus
dem Pfingstlager heimkehrten. Müde und offensichtlich erfüllt von
allerlei Abenteuern.
Dann, noch bevor der Schnellzug nach Zürich eintraf, bemerkte ich einen Mann, den ich kennen musste. ???... Ah ja, Hermann Hesse...
ein Doppelgänger. Erstaunlich die Übereinstimmung mit Fotos aus meinem
inneren Archiv. Der breitrandige Hut, die lockere Baumwollhose, die
Brille, der Blick, die Haltung, die hohe Sensibilität ausdrückte...
unglaublich nahe dem Original. Sein Begleiter, vermutlich sein Enkel.
Ein Bursche im Sekundarschulalter. Er war noch mit seinem Rollbrett
beschäftigt. Verpackte es, während sein „Grossvater“ seine Sporttasche
hütete. Dann war alles getan und gesagt. Die beiden warteten.
Stillschweigend. So war es doch früher, als man nicht schon vor dem
Bahnhof im Auto verabschiedet worden war.
Dann traf der Zug ein. Der Bursche nahm sein Gepäck, schritt, ohne
speziell adiö zu sagen, nahe an den Perronrand. Der Grossvater folgte
ihm. Erstaunlich: Dieselbe Haltung der beiden. Nicht streng aufrecht,
den Kopf voran. Der junge Mann stieg ein, fand sofort einen
Fensterplatz. Da erhob er kurz seine Hand. Ebenso tat es der Grossvater.
Als der Zug dann losfuhr, winkten sie einander, solange sie sich sehen
konnten. Ein Männerabschied, dachte ich dazu.