Unbekannt war uns, wie reservierte und bezahlte Sitzplätze in der
Bahn ganz selbstverständlich okkupiert werden. Als wir in Köln die
unsrigen schon besetzt vorfanden, mussten wir aber nicht um unser
Sitzplatzrecht kämpfen. Die beiden Personen erhoben sich sogleich und
verschwanden. Als wir dann fürs Mittagessen in den Speisewagen
wechselten, informierten wir unsere Sitznachbarn, dass wir nichts
dagegen hätten, wenn unsere Plätze zwischenzeitlich benützt würden. Aber
wenn wir zurück kämen, möchten wir sie wieder einnehmen.
Ganz anders das Erlebnis unserer Tochter Letizia. Auf einer
Reise nach München fand sie ihren reservierten Sitzplatz ebenfalls
besetzt vor. Es sass da eine Frau, und die war nicht bereit, wegzugehen.
Sie sagte, sie habe sich hier bereits zum Arbeiten eingerichtet. Es
gebe ihn diesem Wagen gewiss noch freie Plätze.
Einer ähnlich sturen Person sind wir dann in Düren begegnet,
konnten zuschauen, wie sich 3 Autos so verfahren hatten, dass 2
hintereinander angefahrene Fahrzeuge gefangen waren, weil eine
entgegenkommende Autofahrerin um ein parkiertes Auto herum kurven wollte
und mehr als die halbe Strassenseite beanspruchte. Diese Frau war mit
freundlichen Worten nicht zu bewegen, zurückzufahren. Der nur geringe
Verkehr stand still. Man wartete. Es wurde nicht gehupt. Es dauerte sehr
lange, bis sie einsah, dass sie der Bitte nachkommen musste. Sogar im
eigenen Interesse, denn auch ihr Auto war gefangen. Nur sie allein
konnte die Blockade auflösen. Der hohe Trottoirrand in der Gegenrichtung
verhinderte, dass die Entgegenkommenden hätten ausweichen können.
Es war ein Beispiel, wie Kriege entstehen oder abgewendet werden können.
Wieder zurück in der Bahn: Datönte eine Durchsage aus dem
Lautsprecher. Ich sagte zur mir gegenüber sitzenden Frau, ich hätte
diese nicht verstanden. Sie auch nicht. Aber sie wisse, was mitgeteilt
werden wollte. Es seien immer dieselben Nachrichten. Verspätung. Keinen
Anschluss an den fahrplanmässigen Zug.
Da dämmerte es mir. Darum wollen junge Leute, die auf diesen
Strecken reisen, keine Sitzplatzreservation bezahlen. Wenn der Zug
abgefahren ist, ist auch der bestellte Sitzplatz fort, also verloren.
Anfänglich störte es mich, dass man um einen bestellten und bezahlten
Platz bitten musste. Jetzt wussten wir Bescheid.
Wir dachten auch noch über die Frau im Auto nach. An jenem Ort
befindet sich ein Krankenhaus. Vielleicht kehrte diese in unseren Augen
sture Frau von einer Behandlung zurück, hatte möglicherweise ein
beruhigendes Medikament erhalten, das rasches Handeln verunmöglichte.
Wenn wir immer alles schon wüssten, hätten wir mehr Verständnis für
scheinbar egoistisches Verhalten.
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