Sonntag, 24. April 2011

Die wieder erwachte Natur begleitet uns zum Osterfest

Die Tage zwischen Palmsonntag und Ostern sind für mich immer spezielle Tage. Einerseits sind es nicht gewöhnliche Arbeitstage. Die Woche ist verkürzt. Andererseits haben sie eine religiöse Bedeutung. In diesen Tagen kreisen die Themen auf verschiedenen Ebenen um Passion, Tod und Auferstehung.
 
Das wiedergekehrte Licht leuchtet jetzt ungeniert durch die schmutzigen Fensterscheiben und spornt zum Putzen an. Zu einem Fest gehören Räume, die sich frisch anfühlen und das Osterlicht und den Weihrauch gerne aufnehmen.
Und die Natur zeigt uns, was gemeint ist. Pflanzen und Bäume zeigen wieder Leben. Äste dürfen wieder Blätter und Blüten tragen. In diesem Jahr 2011 kommt der Frühling bilderbuchmässig daher. Die Tage sind voller Licht. Die Stimmung überträgt sich auf unsere Gefühle und beflügelt viele von uns. Es drängt uns auch wieder ins Freie.
 
Den Palmsonntag feierten wir im Kloster Fahr und besuchten anschliessend im nahen Umfeld die „Russenlinde“. Seit dem Jahr 2004 steht sie da, zusammen mit einem Gedenkstein, als Stätte der Erinnerung an die hier gefallenen Soldaten. Es war die Zeit der zweiten Schlacht bei Zürich. Franzosen und Russen stiessen im September 1799 hier zusammen. Wie ich erfahren habe, findet an dieser Stätte immer am 25. September eine öffentliche Gedenkfeier statt, an der neben dem Gemeinderat Würenlos AG auch offizielle Vertreter Russlands sowie eine Kosakendelegation teilnehmen.
 
Die Linde trägt jetzt ihre frischen Blätter wie ein Festkleid. Auf dem kleinen Fussweg, der zu ihr führt, hatten wir sie immer vor Augen. Rundum gab es umgebrochene Erde, aber auch Brachland mit verdorrten Pflanzen. Hier sahen wir schlafende, ruhende Erde und einen jungen Baum, der die Auferstehung seines Blattwerks feierte.
 
Später brachte ich meinen Eltern den Palmzweig aus der Kirche aufs Grab. Und wie jedesmal gehört ein Rundgang in diesem grossen und geschichtsträchtigen Friedhof Sihlfeld dazu. Neben Grabzeichen und Skulpturen beherbergt er viele, auch seltene Parkbäume und Sträucher. Grossflächig angepflanzte Stiefmütterchen bringen Farbe ins Bild. Jedes in sich geschlossene Erdgräberfeld trägt eine eigene Farbe. Französisch heissen die Stiefmütterchen „pensées“, also Gedanken. Und im Dialekt, hier in Zürich, nennen wir sie „Dänkeli“. Kleine Gedanken?
 
Auf diesem Spaziergang dachte ich ans Erwachen im Garten Eden, wie es die Märchen schildern. Den Frühling so zu schauen, wenn er erst wenige Tage alt ist, verzaubert. Im Hinterkopf sassen immer noch Bilder von laublosen Bäumen.
 
Ich wunderte mich über die vielen umgegrabenen Gräberfelder, die jetzt zu Rasenflächen geworden sind. Primo kannte den Grund. Der Trend gehe neuerdings Richtung Kremation, und die Asche beanspruche weniger Platz als die Erdbestattung.
 
Mehr noch wunderte ich mich über die jungen Menschen, die diese Wiesen jetzt benützen, auf ihnen „plegeren“ (herumliegen). Diese Eroberung sehe ich nicht gern. Wohl kann ich verstehen, dass Menschen aus Hochhäusern einen Flecken Grün suchen. Doch, bleiben sie so ruhig, wie es hier verlangt wird? Auf einer Hinweistafel wird die Ruhe vorgeschrieben, ebenso darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt im Badekleid verboten sei. An diesem Sonntag erlebten wir wohltuende Stille. Eindruck machte mir ein junger Vater, der sich unter den schweren Ästen eines Parkbaumes wie in einer kleinen Wohnung eingerichtet hatte. Angelehnt an den Kinderwagen, hielt er sein neugeborenes, noch tief schlafendes Kind im Arm.
 
Ob diese Idylle auch in kommenden Monaten noch besteht? Ich zweifle. Jede Ordnung und jede Regelung werden doch heute durchbrochen und ausgereizt.
 
Und doch hoffe ich, dass dem Friedhof Ruhe und Frieden erhalten bleiben. Nicht nur für die Toten. Auch Zürich sollte sich einen ganz und gar ruhigen Ort bewahren.

Sonntag, 17. April 2011

Kultur-Werbebanner auf der schweizerischen Briefpost

Werbebanner gab es schon früher, als wir noch nicht mit dem Computer arbeiteten. Sie ergänzten den Datum- und Aufgabeortsstempel, der die Briefmarken maschinell entwertete. Als Werbungsträger für besondere Orte und Städte gaben sie den Briefen ein sehr persönliches Gepräge. Sie gefielen mir. Ich nahm viele ihrer Anregungen wahr und besuchte solche Orte. Enttäuscht wurde ich nie. Es handelte sich immer um Hinweise auf schweizerische Kultur.
 
Alle Beispiele wurden auch bebildert, nicht nur mit Worten dargestellt. 
AARAU: Die Stadt der schönen Giebel
KLOTEN: Das Flughafendorf
SCHAFFHAUSEN: Schatzkammer zu Allerheiligen
ADELBODEN: Unerschöpfliches Wandergebiet
WALD (ZH): Wander- und Skigebiet
ZÜRICH: Die Stadt der schönen Geschäfte 
Auf dem Stempel von Zürich warb das Grossmünster für unsere Stadt. Um ihre Türme kreisten Möwen. Briefe, die solche Motive auf sich trugen, erzählten etwas vom Absenderort.
 
Diese Bilder, von denen ich hier nur wenige Beispiele aufzählte, sind uns verloren gegangen. Wenn ich meine Briefe an meinem Wohnort in den gelben Briefkasten werfe, werden diese im gigantischen Briefzentrum Mülligen verarbeitet und mit dem immer gleichbleibenden Stempel versehen: Eine maschinelle Kalligraphie, die das Schweizerkreuz fasst, ergänzt von Ort, Datum und Verarbeitungszeit im gefassten Kreis. Korrekt, sauber, klar, nüchtern, aber langweilig. Ein Glück, dass es noch variantenreiche Sonderbriefmarken gibt.
Letzte Woche blitzte ein solches Werbebanner vor meinen inneren Augen auf, als ich von einer Freundin hörte, sie stelle gegenwärtig Batikarbeiten im Schloss Pratteln BL aus. Ich entschloss mich augenblicklich, ihre Ausstellung zu besuchen, weil ich diesen Ort doch schon seit Jahren einmal aufsuchen wollte. Ja, die Werbung auf einem Brief aus Pratteln befand sich seit mindestens 40 Jahren immer noch in der Warteschlaufe. Es hat sich vorher nicht ergeben, dahin zu reisen und wenn ich schon mit der Bahn über Pratteln nach Basel fuhr, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Schloss in einem von der Industrie dominierten Gebiet standesgemäss überleben kann.
 
Es war dann Liebe auf den ersten Blick, und wenn das Schloss reden könnte, hätte es vielleicht gesagt: Endlich bist du gekommen!
 
Es hat menschliche Masse. Seine Räume und auch sein Innenhof nehmen die Besuchenden beinahe familiär auf. Und die aktuelle, farbenfreudige Ausstellung strahlte auch aus.
 
Unter „Kultur Pratteln“ finden sich im Internet Hinweise auf weitere Ausstellungen. Die erwähnte dauert nur noch bis und mit Palmsonntag, 17.04.2011.
 
Interessant auch die Geschichte des Schlosses, die ich einem Prospekt des Hauses entnehme: Das Adelsgeschlecht der Herren von Eptingen erstellten das Weiherschloss sowie die Burg Madlen um das Jahr 1275.
 
Am 18. Oktober 1356 zerstörte das Basler Erdbeben dann beide erwähnte Bauten. Das Weiherschloss wurde wieder aufgebaut und ziert heute den alten Dorfkern von Pratteln. Beide mögen sich, ergänzen sich. Das Schloss ist während der Ausstellungen jeweils am Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei.