Die Balkontür blieb offen, als ich das Haus verliess. Nur kurz. Nur
um die Briefe in den gelben Postkasten zu werfen. Als ich zurückkam,
traf ich auf einen Windstoss, der nur darauf gewartet hatte, als
Durchzug durch Korridor, Stube und Balkon wieder ins Freie zu sausen.
Hätte ich die Tür nicht richtig im Griff gehabt, sie wäre schletzend ins
Schloss gefallen. Und genau das soll vermieden werden. Betonhäuser
schlucken den Lärm nicht. Sie lassen ihn den Wänden entlang hochgehen
und stören dann jene Leute, die in oberen Regionen zu Hause sind. In
unserem Wohnhaus wird explizit daraufhin gewiesen.
Ich schätze den Durchzug als Lufterfrischer und organisiere ihn
immer von Zeit zu Zeit. Da ich an diesem Tag Stunden zuvor zusätzlich
die Wohnung gründlich ordnete und reinigte, fühlte ich mich jetzt beim
Eintreten wie am Meer. Diese Frische, wie eine Meeresbrise!
Wie gut, dass ich von Zeit zu Zeit das Haus verlassen muss, um dann
festzustellen, wie angenehm mein Raumklima nach einer solchen
Putzaktion ist.
In der Stube hatten die orangefarbenen Sonnenstoren mit der Sonne
zusammen noch ein südliches Licht entwickelt. Und der Föhnwind wiegte
die Gräser in den Balkonkisten hin und her. Die reinste Seligkeit. Ich
freute mich über diese Ferienstimmung. Ich erwartete Besuch und war mit
meinen Vorbereitungen zufrieden.
Aber Ursula kam nicht, verunfallte an diesem Tag. Ein Hund sprang
aus einem toten Winkel heraus auf die Strasse, direkt ins Vorderrad
ihres Velos. Sie stürzte. Glücklicherweise wurde nur das Rad verletzt.
Aber von einem Ausflug nach Zürich-Altstetten wollte sie nichts mehr
wissen. Der Schock sass ihr im Nacken.
Allein trank ich den vorbereiteten kühlen Tee, ass eine Schnitte
Kuchen und sinnierte dann über meine Putzaktion. Ich konnte sie
geniessen, auch wenn sie ursprünglich nicht für mich, sondern als
Geschenk gedacht war.
In jungen Jahren meinte ich einmal, ich hätte jetzt genügend
geschrubbt, gewischt, gewichst, abgestaubt usw. Es gäbe doch wahrhaftig
im Leben Schöneres als für Ordnung und Reinlichkeit zu sorgen. Als
Familienfrau weiss ich aber längst, dass sie die Basis für die
Gesundheit bilden.
Meine Eltern hatten zusätzlich zur Arbeit des Vaters noch die
Hauswartung in einem Fabrikgebäude übernommen. Dort wohnten wir auch.
Und das hiess, dass wir Kinder – 5 an der Zahl – alle mitarbeiten
mussten. Heute würde man vielleicht von Kinderarbeit reden. Doch war
unsere Chefin die Mutter, nicht ein fremder ausbeuterischer
Fabrikbesitzer. Sie brauchte unsere Unterstützung, und uns schadete die
Mitarbeit nicht. Unsere Aufgaben: Papierkörbe leeren, Büroböden wischen,
Pulte abstauben, Fenster und Treppen reinigen, den Steinboden auf den
Knien schrubben, den grossen Hof wischen, Holz zum Feuern in die Winde
tragen. Diese Arbeiten führten zu einem sauberen Raumklima, das uns
allen zur Norm geworden ist. Sie bewirkten das Sonntagsgefühl. Denn die
Hauptarbeit wurde am Samstagnachmittag verrichtet.
Das heutige Alltagsklima darf bei mir hin und wieder auch bedürftig
sein. Nur so komme ich dazu, Blogs zu schreiben. Aber für einen lieben
Besuch strebe ich immer noch diese gewisse festtägliche Ordnung und
Frische an. Und manchmal denke ich, ich würde gerne nochmals mit Mutter
Büros putzen. Sie verteilte die Arbeit so, dass wir das Ende absehen
konnten. Mir gefiel es, die Wasserhahnen an den Lavabos zu polieren oder
Fenster zu putzen, bis die Scheiben auch an den Übergängen zum
Fensterkitt klar waren. Wir arbeiten ruhig und ohne Zeitdruck. Das kann
ich nicht mehr. Heute sehe ich schon während einer Putzarbeit die
nächste vor mir.
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