Ich hatte in den Jahren 1975‒1980 am „Kreis 5 Anzeiger“
(Alternatives Quartierblatt für Zürich 5) mitgearbeitet und für jede
Nummer ein Rezept mit der dazugehörigen Geschichte geschrieben. Daraus
wurde später ein Kochbuch. Unsere jüngere Tochter Letizia sähe es
gern, wenn ich dieses neu auflegen würde. Die Rezepte sind für sie
sowohl Familiengeschichte wie auch Bestandteil ihrer eigenen Küche, mit
der sie immer wieder Erfolg hat.
Sie ist aber eine viel anspruchsvollere und kreativere Köchin und
Gastgeberin als ich es je war. Es erstaunt mich, dass etwas von früher
immer noch Bestand hat. Beliebt ist unser Hackbraten auch in ihrem
Freundeskreis. Sie erzählte kürzlich, wie sich ehemalige Arbeitskollegen
bei ihr trafen und schon im Voraus wünschten, dass sie ihnen Hackbraten
und Kartoffelstock auftische.
Hungrig schauten sie auf den Service und verglichen die einzelnen
Tranchen auf den Tellern, und manch einer befürchtete, er käme zu kurz.
So wurde es mir erzählt. Sie hätten sich lachend beschwert, des Nachbars
Portion sei dicker. Aber es gab für alle genug. Letizia kochte 2 kg
Hackbraten und 3 kg Kartoffelstock für 6 Personen.
Einer der Männer habe gesagt, hier sei es wie daheim. „Man kommt an, und das Essen ist bereit.“
Das sind wohl Sehnsüchte vieler alleinstehender Menschen, eben auch
junger. Und der Hackbraten, der früher in vielen Familien nach eigenem
Rezept gekocht wurde, verstärkte wohl auch noch das Heimatgefühl.
Letizia kocht jede Woche einmal für uns Eltern, und das sind immer
Festessen. Die Rollen sind schon längst vertauscht. Wohl werde ich
manchmal noch nach meinen Erfahrungen gefragt, aber grundsätzlich ist
sie jetzt die Person mit breiter Erfahrung und überrascht uns immer
wieder mit phantasievollen Experimenten.
Und ich bin zur Schülerin geworden, wünschte mir letzthin, dass ich
endlich einmal Zöpfe backen lerne. Dass sie mir zeige, worauf es beim
Teig ankomme, wie ich die Hefe richtig behandle und welcher Trick sie
anwende, dass ihr die Teigmasse so prächtig aufgehe. Diesen darf ich
freimütig verraten. Sie legt den fertig gekneteten Teig in eine weite
Schale, deckt diesen mit einer Frischhaltefolie zu (Folie nur locker
hinlegen, nicht spannen, damit sie die Teigbewegungen nicht behindert)
und schiebt das Gefäss unter das Kopfkissen oder die Bettdecke. 1 ½
Stunden bleibt er dort, frei von Durchzug und entwickelt sich prächtig.
Aus meiner Sicht ist dieser Trick ausschlaggebend fürs Gelingen.
Rückblickend erkenne ich, dass die Ernährung schon immer ihr Thema
war. Dass sie schon als Sekundarschülerin instinktsicher anregte, dieses
oder jenes Gewürz noch beizufügen. Da stand sie dann neben mir am Herd,
sog Düfte ein und gab ihre Kommentare dazu. Heute sagt sie, das seien
prägende Momente gewesen, vor allem weil ich bereit gewesen sei, auf
ihre Anregungen einzugehen. Ich erkannte eben rasch, dass es sich
lohnte.
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