Samstag, 22. August 2009

Die Anrufe aus den Call-Zentren nenne ich „Telefon-Terror“

Ich bin vorbelastet, habe kein Vertrauen in Angebote an der Haustür oder am Telefon. In meiner Jugend sah ich zu viele unseriöse Hausierer, die Frauen und Männern unnötige Dinge aufgeschwatzt haben.
 
Heute sind Haustürvertreter seltener anzutreffen, aber die Telefonanrufe aus den Call-Zentren nehmen zu. Und sie stören. Sie unterbrechen oftmals knifflige Arbeitsprozesse im ungünstigsten Augenblick. Und sie sind lästig, weil sie Angebote machen, ohne dass diese erwünscht sind. Ich kaufe nichts, das mir am Telefon von unbekannten Menschen angeboten wird. Es muss mir auch niemand ein Bedürfnis weismachen. Wenn ich etwas brauche, suche ich danach und zwar unabhängig und selbstständig.
 
Im vergangenen Juli 2009, als wir die an die Werkstatt gerichteten Telefonanrufe mit Service 21 nach Hause umleiteten, gab es keinen Tag ohne diese unerwünschten Angebote.
 
Wegen meinem italienischen Familien-Namen wurde ich mehrmals in der Du-Form begrüsst: „Tu sei Rita?" (Du bist Rita?), offenbar um sofort ein kollegiales Klima zu schaffen und Bekanntschaft vorzutäuschen. In diesem Fall erreichte die Anrufende das Gegenteil. „Ich cha nüd Italienisch!“ (Ich spreche nicht Italienisch), so meine etwas barsche Reaktion. Sofort wurde das Telefon beendet.
 
Ein andermal rief ein Mann mit demselben italienischen Gruss an und schaltete sofort auf Hochdeutsch um, als ich im Dialekt antwortete. Aussergewöhnlich höflich, ohne dass es aufgesetzt wirkte.
 
Er wolle Herrn Lorenzetti sprechen. Der sei im Ausland. Um was es gehe? Ich sei die Ehefrau. Er könne ihm attraktive Krankenkassenprämien vermitteln und möchte deshalb einen Berater zu ihm schicken. Er nannte einen bekannten Namen. Aber wir seien doch schon jahrelang Mitglied exakt bei dieser Krankenkasse. Das sehe er eben nicht (auf seinem Bildschirm).
 
Und zudem sei ich für diese Sparte zuständig. „Ah, Sie sind der Finanzminister!“ wollte er auch noch wissen. So sei es. Ob wir denn mit den Versicherungsleistungen zufrieden seien. Das könne ich nicht beantworten, denn wir hätten noch keine grossen Leistungen gebraucht, keine Operationskosten, keinen Spitalaufenthalt. Zudem seien wir 70- und 71-jährig. Da lasse man sich nicht mehr auf Experimente ein. Klipp und klar sagte ich abschliessend: „Es gibt hier nichts zu ändern.“
 
Nachdem er uns zu unserer Gesundheit noch gratuliert hatte, wollte er wissen, wann denn mein Mann wieder in der Werkstatt anzutreffen sei. In ungefähr 2 Wochen. „Gut! Ich werde danach bei ihm anrufen und mit ihm sprechen.“
 
„Und dann" fuhr ich weiter, „wird er zu Ihnen sagen: Fragen sie meine Frau! Dafür ist sie zuständig.“
 
Er hat nicht mehr angerufen.
 
Obwohl das Gespräch sehr freundlich verlief, störte es mich doch extrem, dass nur der Familienvater für die Versicherungen zuständig sein soll.
 
Ich nahm mir vor, kein Gespräch mehr ausufern zu lassen und gleich zu Beginn klipp und klar zu sagen: „Ich gehe auf keine Telefon-Angebote ein. Wir müssen das Gespräch beenden. Adiö!“

Donnerstag, 6. August 2009

Französischkurs: Mit den Enkelkindern Zeit verbringen

Nora ist die zweitgeborene Enkelin. Eine vife Person, mit der ich mich gut verstehe. Aber manchmal mache ich einen Fehler. Ich nenne sie "Mena". Mena ist aber ihre 4 Jahre ältere Schwester. Auch ihrer Mutter passiere das manchmal, dass sie den falschen Namen ausspreche. Dann antwortet Nora souverän. Sie korrigiert wie eine gute Lehrerin. Sachlich weist sie auf den Irrtum hin und arbeitet jeweils weiter an der Sache, mit der sie sich gerade beschäftigt. Ohne aufzuschauen und uns anzuschauen, ohne zu reklamieren. Nora ist 3-jährig.
 
Sie spricht französisch, ohne jedoch schon Sätze perfekt formulieren zu können. Die Korrektur tönt dann so: „Mena: Anna Sophia, c'est Nora, c'est moi.“
 
Sie will sagen: Mena sei bei Anna und Sophia in den Ferien und die da spreche, sei Nora, c'est moi. (Das bin ich.)
 
Als wir das erstmals hörten, waren wir verblüfft und begeistert zugleich. Wiederholungen hat es gegeben. Sie verliefen jedesmal in gleich ruhiger Art. Und jedesmal freute ich mich, wie sich das Kind den eigenen Platz sichert.
 
Für mich ist es spannend zu erleben, wie sich die Sprache entwickelt, wie sich kleine Kinder ausdrücken und wie wir einander verstehen. Nora spricht grundsätzlich auf französischer Basis. Das ist die Umgangssprache in ihrem „Atelier“, einer betreuten Spielgruppe in Paris. Schweizerdeutsch hört sie von ihrer Mama. Während dem Aufenthalt bei uns Grosseltern fing sie zusätzliche schweizerdeutsche Begriffe auf und benützte sie an passender Stelle.
 
Einmal gingen wir miteinander einkaufen. Auf dem Weg schauten wir Bauarbeitern zu, wie sie Erde umgruben und im Bagger wegführten Ich erklärte dem Kind, hier werde eine Schule gebaut. Sie konnte das verstehen. Ich redete Schweizerdeutsch, und sie antwortete auf Französisch.
 
Das Wort Erde faszinierte sie. Sie nahm es in den Wortschatz auf. „Ärchde“, tönte es aus ihrer Kehle. Sie genoss den Klang dieses Worts, sprach es mehrmals aus und formatierte wohl damit ihren Hals für die schweizerdeutsche Sprache. Zu Hause dann berichtete sie der Mama von dieser Ärchde und vom Bagger, dem sie den Namen „camion-pelle“ gab. „pelle“ ist ihre kleine Schaufel, mit der sie im Sand spielen kann. Die Kombination der Schaufel mit dem Camion ist eine echte Wortschöpfung. Ich kann nur staunen.
 
Lachen kann ich über ihre Antwort, wenn sie ein Angebot ausschlägt: „Pas d'envie!“ (Keine Lust!), ebenso, wenn sie etwas holen muss und verhindern will, dass ich mich vom eingenommenen Platz entferne. Da heisst es dann in ganz ungelenkem Französisch: „Grosy attend 5 minutes, moi." Ich (Grosy = Grossmutter) solle 5 Minuten auf sie warten.
 
Weniger salonfähig ist der Ausdruck „pousse-toi!“ (hau ab!), wenn sie sich wehren muss. Der Existenzkampf beginnt schon früh.
 
An einem weiteren Tag sass ich mit Nora auf einer Steinbank vor dem Lebensmittelladen. Wir assen ein kleines Gebäck und beobachteten einen Hund, der angebunden auf seine Meisterin wartete. Er winselte, jammerte, war ungeduldig. Lange schauten wir ihm zu, wie er Angst hatte, total allein gelassen zu werden. Nora nahm Anteil an diesem Wesen, fühlte mit ihm.
 
Da unterbrach eine alte Frau, vermutlich aus Ex-Jugoslawien, unsere Beobachtung und sprach mich an. Auch sie habe sich um Enkel gekümmert, viel Zeit aufgewendet, mit ihnen alles geteilt, sie manches gelehrt, wie ich das eben auch mache und heute ....? ... sei sie nur noch die dumme Grossmutter. Dann ging sie weiter, schaute nicht mehr zurück. Wie traurig für sie.
 
Wenn ihre Enkel gerade in der Pubertät sind, sei ihnen verziehen. Wenn sie aber alles Gute verkennen, das ihnen diese mütterliche Frau geschenkt hat, dann sind sie zu bedauern.
 
Am besten, wir erwarten keinen Dank. Dann können wir nicht enttäuscht werden. Und wenn wir's genau überlegen, ist der Dank doch inbegriffen, wenn wir miterleben dürfen, wie Entfaltung geschieht. Manchmal leise, beinahe unbemerkt und doch stetig und plötzlich Überraschung auslösen kann.