Die Jakobsmuschel ist überall gut bekannt. Feinschmecker lieben
diese Meeresfrucht, und Wallfahrer schätzen ihr Symbol als Wegweiser auf
dem Weg nach Santiago de Compostela (wikipedia.org/wiki/Jakobus_der_Ältere).
Ich freue mich immer, wenn ich dieses Zeichen an Wegkreuzungen
erblicke. Dieser Pilgerweg, der vielen Menschen hilft, zu sich selbst zu
finden, ist mir sympathisch. Einzelne Wegstücke innerhalb der Schweiz
habe ich selber auch begangen, nach Santiago de Compostela bin ich
allerdings noch nicht gekommen.
Auch unsere rutschfeste Plastikmatte im Badezimmer trägt die
Jakobsmuschel. Wenn ich auf dieses plastische Symbol stehe, drücke ich
es auf den Boden und verhindere, dass ich ausrutsche. Warum diese Matte
mit der Jakobsmuschel geschmückt ist, weiss ich nicht. Vielleicht wegen
des Bezugs zum Wasser, in dem sich die Muschel entwickelt. Vielleicht
war sie als Mitbringsel von Santiago geschaffen. Gekauft habe ich sie in
einem Ramschwarengeschäft. Sie hat mir gefallen, weil sie farblich
keine dominante Rolle spielen will und mir dienen kann. Seit letztem
Donnerstag spricht sie mich jetzt anders an. Sie erinnert mich an eine
schöne Ausfahrt nach Beuron und Bärenthal-Gnadenweiler. Auch Orte am
Jakobsweg.
Eingeladen von meiner Freundin und im Gefolge einer Frauengruppe
führte die Reise ins deutsche Bundesland Baden-Württemberg. Mütter und
vermutlich auch Grossmütter schenkten sich einen freien Tag. Auch ich
schob für diesen alle Aufgaben und Arbeiten zur Seite und genoss es,
dass andere Weg und Ziel schon definiert hatten. Auf mir lastete diesmal
keine Verantwortung. Tapetenwechsel. So nannten wir früher einen
Ausflug. Das eigene Umfeld wurde zugunsten von unbekannten Orten, Räumen
und fremder Architektur einfach für eine Weile ausgeklinkt.
Die Fahrt im Bus wurde am Rheinfall in Neuhausen (Kanton
Schaffhausen) unterbrochen. Wir trafen am frühen Morgen ein. Es war noch
ruhig. Touristenströme kamen später an. Die Morgensonne leuchtete
gerade in die schäumenden und tosenden Wasser hinein und verpassten dem
grössten Wasserfall von Europa eine glitzernde Aura. Von meinem
Sitzplatz auf der Terrasse konnte ich beobachten, wie der breite Strom
aus seinem Bett heraus- und herunterstürzte. Von einem Menschen würde
ich sagen, dass er ahnungslos dahergekommen sei. Die Wassermassen
schienen ihren Spass zu haben. Das träge Dahinfliessen wurde, einem
Spektakel gleich, für eine Weile unterbrochen.
Beuron D fuhren wir über die Schwäbische Alb an. Eine der
Organisatorinnen ist mit diesem reizvollen und unverdorbenen Landstrich
familiär verbunden; darum konnte sie den Chauffeur unseres Autocars dazu
bewegen, die Route über diese Alb zu benützen. Die Fahrt hinab ins Tal
beeindruckte ebenso. Am meisten, als wir der jungen und lieblichen Donau
begegneten und mit Abstand die Wucht des Felsgesteins, aus dem wir eben
herunter- und herausgekommen waren, sahen. Für mich hat dieser Ort
Ähnlichkeit mit der Doubs-Landschaft in der Schweiz, angrenzend an
Frankreich. An beiden Orten markieren Juragesteinswände mit bizzaren
Formen ein Tal. Und hier stehen auf besonders markanten Felsen wuchtige
Burgen und Schlösser.
Zur Mittagszeit trafen wir in Beuron ein. Ein geschichtsträchtiger
Ort mit imposanter Klosteranlage. Mir war bis anhin nur der Beuroner
Kunstverlag, vor allem wegen seiner Kunstkarten und Kunstbücher,
bekannt.
Besuch der Wallfahrtskirche. Für uns gab es keine Führung und auch
keinen Gottesdienst. Einfach etwas verweilen war angesagt. Jahreszahlen
und architektonische Zuordnungen vergesse ich ohnehin schnell wieder.
Aber dasein und einen spiritueller Raum auf sich wirken lassen, das ist
gut.
Ein feines und leichtes Mahl erwartete uns im Gäste- und
Tagungshaus „Maria Trost“, das ebenfalls auf eine lange Vergangenheit
zurückblicken kann. Herr Peter Zimmermann, der mit seiner Frau
zusammen dieses Haus führt, erzählte uns sehr eindrücklich aus deren
Geschichte und verriet uns etwas von seinem persönlichen Engagement,
dieses zu erhalten und weiterzuführen.
Mit fühlbarer Hochachtung und Respekt wies er auf Besuche von Edith Stein
hin, die sich in Beuron und explizit auch in diesem Haus wohl fühlte.
Die Strasse, an der das Gasthaus steht, trägt ihren Namen. Und eine
Gedenktafel hält ihr Andenken wach. (Edith Stein: Philosophin,
katholische Nonne jüdischer Herkunft. In Auschwitz ermordet. Wurde von
der katholischen Kirche heiliggesprochen.)
Das eigentliche Ziel unserer Reise signalisierte uns in
Gnadenweiler ein luftiger Fahnenwald in gebührendem Abstand zum
Heiligtum „Maria, Mutter Europas“, das vor kurzem erschaffen und 2008
eingeweiht worden ist. Noch jung und doch schon von voller Ausstrahlung.
Ein lichtdurchfluteter Bau, der Innen und Aussen verbindet. Ein aus den
Schriften des alten und neuen Testaments gültig übersetztes Bauwerk für
die Menschen von heute. Ein Zeichen in der Landschaft zu Ehren Europas.
Bilder, die im Internet zur Verfügung stehen, vermitteln mir die
wahre Ausstrahlung dieses Orts nicht ganz so, wie ich sie gesehen und
gefühlt habe. Sie ist grösser. Landschaft, Architektur und Glaube sind
an diesem Ort vereint. Und die barocke Marienfigur aus der
„alpenländischen Schweiz“ verbindet alle hier anzutreffende Detailtreue
theologischer Aussagen und wandelt sie zu einem lebendigen Heiligtum.
Mir persönlich sind die weiblichen und mütterlichen Elemente in der Religion wichtig, weil sie sich um das echte Leben sorgen.
Dieser Beitrag ist mit vielen Links versehen. Die Reise soll für
Leserinnen und Leser nachvollziehbar werden. Mein Bericht soll
Unaussprechbares nicht zerreden. In diesem Sinne hat es mir entsprochen,
dass alle Orte, die wir besuchten, nicht mit tausend Worten übergossen
worden sind.
Ein Buch zum Thema
Hinweis auf einen kleinen, grafisch ansprechenden Bildband, der
alle Grundlagen und das Werk selbst beleuchtet. Fotos und Texte: P.
Notker Hiegl: „Maria, Mutter Europas“, ISBN 978-3-87071-183-2.
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