In letzter Zeit spielt in meiner Familie die Vergangenheit eine
grosse Rolle. Alte Freunde aus der Jugend wollen uns wieder treffen,
auch Familienangehörige melden sich. Sind einmal die Jahre nach 70
überschritten, setzt das abschiedliche Denken ein. Da heisst es dann
beim Adiösagen: „Kommt bald wieder, nicht erst zur Beerdigung!“
Eine ganz eindrückliche Schau zurück bot letzte Woche eine
Veranstaltung der Zürcher Altstadtkirchen Grossmünster, Fraumünster, St.
Peter und Liebfrauen. Im Pfarreizentrum an der Weinbergstrasse 36 wurde
der Film „Das war die Landi (CH-Landesausstellung) 1939“
gezeigt. Mein Jahrgang. Doch bei der Ausstellungseröffnung war ich noch
nicht auf der Welt. Es dauerte noch 6 Wochen, bis ich hier ankam. Die
Eltern haben viel erzählt von dieser bewegenden Schau, einzigartig
damals mit dem Schifflibach, der roten Schwebebahn, dem Landi-Dörfli und
seinem gemütvollen Charme. Auch die Lieder jener Zeit hörten wir im
Elternhaus immer mit einem Hinweis auf das damalige bewegende Ereignis.
Während des Films sog ich die Ausstrahlung der Menschen von damals
in mich auf. Ich sah gesunde, bodenständige, aufrechte und lebensfrohe
Menschen. Originale. Und es begeisterten mich ihre schönen, nach Mass
geschneiderten Sonntagskleider und Trachten. Vermutlich gab es damals
noch nicht viel Konfektion. Und Primo liess sich vor allem von der Architektur begeistern.
Diese Veranstaltung wurde ergänzt durch einen Zeitzeugen (Felix Landolt),
der als Bub und „Landikoch“ die Ausstellung erlebte. Er zeigte
Schulhefte mit Rezepten für seine Auftritte, aber auch Zeichnungen im
Zusammenhang mit der Schweiz, die sich da feierte. Abschliessend
berichtete Urs Baur, Leiter Fachbereich für praktische
Denkmalpflege, Amt Städtebau Zürich, über die damaligen Architekten, die
der Landi oder Zürich als Stadt ihr Gesicht gegeben haben. Und ich
weiss jetzt besser, was mich geprägt hat. Die Erstlingseindrücke
vermittelten eine Art Norm, an der sich mein Unbewusstes orientiert.
Über Google sind verschiedene Beiträge zur Landesausstellung 1939
abrufbar. Der 70. Jahrestag der Landi-Eröffnung steht für den 6. Mai
2009 bevor. Die Medien werden an diesem Tag mit Sicherheit ausführlich
darüber berichten.
Und ich kann jetzt überleiten zur Gegenwart und Zukunft.
Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückschaue, sehe ich wohl die
Etappen und erinnere mich an wichtige Entscheidungen. Aber niemals kann
ich alle Einzelheiten, wie die Welt auf mich einwirkte, an mir schliff,
meine Talente ansprach und mich herausforderte, zurückrufen.
Nun kann ich über Letizias persönlichen Blog www.machetwas.blogspot.com verfolgen,
wie die täglichen Eindrücke Spuren hinterlassen, wie sie in ihrem Fall
verarbeitet werden, wie Ideen aufgefangen und zu etwas Eigenem gestaltet
werden. Das Internet ist ihre Plattform, der Ort, wo Neugierde gestillt
und Gefundenes für andere aufbereitet weitergegeben wird. Sie will und
wird dranbleiben, auch wenn sie wieder eine feste Anstellung angenommen
hat. Kommunikation und Austausch entsprechen ihren Anlagen. Im Moment
hält sie sich mit Freelance-Aufträgen über Wasser. Und schwimmt einem
noch unbekannten Ziel zu.
Ja, es ist meine Tochter, deren Blog ich täglich lese. Ich kenne
sie und schaue sie und ihre sprudelnde Quelle doch immer auch so an, als
ob ich nicht wüsste, wer sie sei. Ich lasse mich überraschen, erkenne
Einflüsse aus ihrem Elternhaus, aber mehr noch ihre eigene,
unverwechselbare Originalität.
Ihre Quelle sprudelt. Ihre mit Fotos gestalteten Blogs erfrischen mich. Blicke zurück sind plötzlich nicht mehr so wichtig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen