Ich staune immer wieder, wie mir die Gefühlswelt ihre Erfahrungen aufzeigen kann.
In den ersten Tagen hier am neuen Wohnort in Zürich-Altstetten
wurde ich früh morgens von Blitzen geweckt und von einem wuchtigen
Donner erschreckt. Es war ungewöhnlich für mich, und ich begriff sofort,
dass das Haus, in dem ich jetzt lebe, ganz andere Eigenschaften
besitzt. Das Bernoulli-Reihenhaus fing einen Donnerknall schwingend auf.
Das wusste ich aber erst in diesem Moment, weil es sich am neuen Ort
wie ein Erdbeben anfühlte. Die ganze Schwere der Betonmasse grollte,
bewegte sich nur leicht hin und her. Es war etwas Dumpfes dabei, und ich
sah vor den inneren Augen einen unendlich starren Block.
Wochen später bescherte uns ein aussergewöhnliches Gewitter wieder ganz andere Erfahrungen.
Es war Ende Mai 2008. Bei Sonnenuntergang baute sich das Gewitter
auf. Ich sass in der Stube und schaute durch einen angrenzenden Raum zum
Himmel. Dort zuckte es unaufhörlich. Primo beobachtete das
Schauspiel anfänglich vom Balkon aus. Ich schaltete alle möglichen
elektrischen Anschlüsse aus, und wir kamen überein, auch das Licht zu
löschen, um alle Facetten des aufziehenden Natur-Schauspiels
einzufangen.
In diesem Halbdunkel sahen wir die Zuckungen des Gewitters.
Lichtfäden leuchteten nicht nur am Himmel auf. Sie schossen auch durch
unsere Stube. Von Norden nach Süden verlaufend. Der dazugehörige
grollende Donner, den wir wie den Lärm startender Flugzeuge wahrnahmen,
dauerte eine ganze Stunde an. Aber nie folgte diesem Brummen der
erlösende Knall.
Dann begann es zu regnen. Der Wind peitschte eine Wasserwand
wellenartig an der Balkonfront vorbei. Es goss in Strömen. In der
Toilette rumorte das Meteorwasser. Es windete und stürmte. Wir liessen
die Rolläden herunter und verharrten, schon etwas besorgt, im Dunkeln.
Als es ruhiger wurde, öffneten wir die Fenster wieder und sogen die
entspannte und gereinigte Luft ein. Es hatte eine Verwandlung
stattgefunden. Wir atmeten auf. Den Blitzen gleich, verflüchtigten sich
unsere bangen Gefühle. Nun war der Himmel Richtung Osten in ein
türkisfarbenes Blau getaucht. Wunderschön klar. Richtung Schlieren
allerdings war noch bedrohliches Grau auszumachen.
Ein solches Gewitter hatten wir beide noch nie erlebt. Seither
messe ich alle nachkommenden an diesem grandiosen, aber auch Angst
machenden Energiespektakel.
Jetzt bin ich gespannt, wie und wann sich meine Gefühlswelt in
ähnlicher Situation wieder meldet und mir das beschriebene Erlebnis als
Vergleich darstellt.
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