Donnerstag, 21. Februar 2008

Eine Wohnung verlieren, eine neue suchen und finden

Wir haben eine neue, schöne Wohnung an einem uns sympathischen Ort gefunden!
 
Der Zufall hat wieder gespielt, wie ich es im Blog vom 31.01.2008 beschrieben und zum damaligen Zeitpunkt auch erhofft hatte. Bekannte von Bekannten suchten einen Nachmieter und wurden auf uns verwiesen. Und wir passten, zur grossen Überraschung, zu den Vorstellungen der Vermieter.
 
Es war, wie wenn uns ein stark brausender Wind an ein vorbereitetes Domizil getragen hätte. Alles vollzog sich sehr schnell. Nach und nach begreife ich unser Glück.
 
Da wir uns auf eine langfädige Suche eingestellt hatten, notierte ich mir alle Vorstösse, damit ich diese unserem bisherigen Vermieter hätte vorweisen können, wenn wir erfolglos geblieben wären. Nun bin ich erstaunt, dass das dicke Notizbuch noch sehr viele unbeschriebene Seiten hat.
 
Da ist ein erster Besuch bei Bekannten in der soeben bezogenen Alterswohnung in der Siedlung „Letten“ notiert. („Wohnen im Alter“, eine städtische Einrichtung). Diesen erlebte ich fortan als prägenden Erstlingseindruck und Mass für alle später angebotenen Räume, denn es war meine Traumwohnung. (Ich bin sehr erstaunt, dass wir diese nun an einem weit entlegenen Ort auf leicht abgeänderte Art gefunden haben.)
 
Wir meldeten uns dann selbst bei „Wohnen im Alter“ an, aber auch bei verschiedenen Genossenschaften. Dann durfte ich eine Wohnung in einem jener zitronen- und orangenfarbenen Häuser anschauen, die bei einer Ausfahrt aus dem Zürcher Hauptbahnhof markant sichtbar sind. Eine solche empfehle ich jedem Eisenbahn-Fan. Eine Nachbarin, in der Spitex tätig (ein Hausbetreuungsdienst für Alters- und Krankenpflege), anerbot sich, mir immer dann anzurufen, wenn sie auf demnächst leere Wohnungen stosse. Durch ihre Arbeit sah sie manchen Umzug voraus. Und ich eilte auf alle Hinweise – wie der Blitz – an die entsprechenden Orte. Mein Velo fuhr mich in entlegene, mir bis dahin unbekannte Stadkreise. Und immer fand ich auch Grünflächen und Bäume, die mir wichtig sind. Aber die richtige Wohnung war auf diesem Weg für uns nicht zu finden. Einmal war die Wohnung zu klein oder eine grössere zu teuer. Und bei den Genossenschaften wurden wir informiert, dass manchmal ein ganzes Jahr lang keine Auszüge stattfänden. Eine Liegenschaftsverwalterin sagte mir kurz und bündig: „Wenn sie pro Monat 2000 Franken bezahlen können, ist es kein Problem, eine Wohnung zu finden.“
 
Später animierte mich dann unsere Tochter Letizia zur konsequenten Suche im Internet. Sie setzte sich an den Computer und druckte Angebote aus. Unsere Tempi stimmten nicht überein. Ich kam kaum nach mit Lesen. Begeisterung und Ernüchterung folgten sich. Eine Achterbahn der Gefühle. In jenem Moment dachte ich, die Wohnungssuche würde mich überfordern. Da gönnten wir uns Ruhe und überlegten auch, ein Institut mit der Suche zu betrauen. Und taten es dann doch nicht.
 
Eine Freundin putzte diese Idee so konsequent ab, dass ich schockiert war. Sie kannte uns zu gut als eigenständige und wie sie betonte, für eine solche Aufgabe fähige Leute. Aha. Manchmal ist eine Belehrung von aussen, auch wenn sie im ersten Augenblick kaltschnäuzig ist, doch hilfreich.
 
Dann pendelte sich die Suche tropfenweise ein. Das Such-Abonnement im Internet brachte die neuesten Angebote und überforderte mich nicht mehr. Mittlerweile hatten sich für uns Kriterien herausgebildet, die mir halfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Primo überliess mir die Suche, liess sich aber zu Besichtigungen aufrufen. Das war spannend und schärfte nach und nach den Blick für das, was uns wichtig ist. Wir grenzten weit entfernte Angebote aus. Wir wünschten uns Orte, die Velo-tauglich, also nicht am Berg angesiedelt sind. Und einen solchen haben wir dann tatsächlich gefunden.
 
Im Buch habe ich auch Ratschläge und Reaktionen aus dem Freundeskreis notiert:
 
Nach der Kündigung: „Du musst jetzt sofort mit Räumen beginnen, alle Dinge fortwerfen, die du schon lange nicht mehr gebraucht hast.“ Dies sagte eine Frau, die über 80 ist und immer noch in jenem Haus lebt, in das sie als 4-jähriges Kind mit ihren Eltern eingezogen ist.
 
Es gab da eine Phase, in der ich mir überlegte, meinen Bücherschatz zu durchforsten und zu lichten. Als ich jedoch das erste Buch zur Hand nahm und seinen Wert erkannte, beschloss ich zu warten und erst zu handeln, wenn ich die neuen Platzverhältnisse kenne. Jetzt weiss ich, dass ich kein Buch fortwerfen muss.
 
Ein anderer Rat, der obige Einsicht bestätigt, lautete: „Auf keinen Fall übereilt handeln."
 
Dann begannen Gespräche oft mit der Frage: „Habt ihr eine Wohnung in Aussicht?“ „Kannst du noch schlafen?“ Oder „Ich beneide dich nicht.“ Dies sagten Leute, die selber sehr lange suchen mussten. Zudem wird in Zürich seit Monaten von einem ausgetrockneten Wohnungsmarkt gesprochen, obwohl sehr viel gebaut worden ist. Auf diesem Hintergrund wird auch die witzige Aussage meines Bruders Georg verständlich. Er hatte gerade erfahren, dass wir eine Wohnung an der Eugen-Huber-Strasse mieten können und schrieb uns: „Da denke ich gerade: Besser an die Strasse des ,Schöpfers des Zivilgesetzbuches’ zu ziehen, als im Zivilgesetzbuch nachschlagen zu müssen, wie eine Mietfristerstreckung erreicht werden kann ..." ;-)
 
Einmal habe ich auch einen Grossandrang für eine Wohnungsbesichtigung erlebt. Es war eine dichte Menschenschlange, die sich durch die Haustür in den 1. Stock gebildet hatte. Und oben auf dem kleinen Balkon erschien, gerade als ich dort ankam, der vorderste der Bewerber mit dem Formular in der Hand. Er schaute aus und schien nicht viel wahrzunehmen. Geduldig warteten alle. Und stetig kamen jene wieder auf die Strasse, die oben waren. Ich schaute da etwas zu, ohne mich anzuschliessen, denn für mich war sofort klar: Hier fühlen sich junge Leute wohl. Einer oder einem von ihnen gehört die Wohnung, nicht mir.
 
Als Verwandte aus dem Kanton Schaffhausen von der Kündigung hörten, empörten sie sich, ohne den Grund genau zu kennen. Sie nahmen an, die ganze Bernoulli-Siedlung würde zu Gunsten eines gigantischen Neubaus niedergewalzt. So denkt man aus der Ferne über Zürich!
 
Und jetzt, auch in der Zeit der Freude, werde ich gewarnt. „Nirgends ist nur eitel Sonnenschein.“
 
Von Mena, meiner bald 6-jährigen Enkelin, habe ich aber aus Paris ein anderes Signal erhalten. Ich sandte ihr Fotos vom neuen Zuhause, in das wir in ein paar Wochen einziehen werden. Erste Bilder der Umgebung. Es war da auch eine Foto einer alten Weide dabei, auf der 4 Raben hocken und in verschiedene Richtungen ausschauen. Als sie diese sah, soll sie spontan gesagt haben: „Die beschützen Grosy und Gropi (die Grosseltern).“

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