Gerne möchte ich dabei sein, wenn dem Baum an der Schipfe der
luftige Überwurf abgenommen wird. Seit bald einem Monat trägt er ihn und
mahnt uns, die anstehenden Probleme zu lösen. Am ersten Tag sah es aus,
als würde hier Hochzeit gehalten und der Baum trüge ein Brautkleid. Das
leichte Fischernetz-Gewebe bewegte sich anmutig im Wind. Seine Aufgabe
ist aber eine andere. Sie muss die Luftverschmutzung auffangen und
sichtbar machen.
Es sind der VCS (Verkehrsclub der Schweiz, ein
Umweltverband) und die Krebsliga, die hinter dieser Aktion stehen und
Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität fordern. Sie fordern zum
Beispiel ein Filterobligatorium gegen den Dieselruss (Siehe auch
www.pm10.ch).
„Ich bin auch eine Lunge“ heisst es auf einem textilen
Plakat, das neben dem verhüllten Baum hängt. Bäume sind Lungen einer
Stadt. Wir können sie nicht genug hegen und schützen. Und sie wiederum
sorgen sich um die Lungen der Menschen.
Wenn ich richtig gerechnet habe, besuchte ich den Baum heute morgen
am 29. Tag seiner Verhüllung. Ich wollte den Zustand seines Umhangs
sehen. In der Erinnerung wirkte er am 1. Tag noch in natürlichem Weiss.
Und heute? Etwas dumpf geworden, aber nicht wirklich grau. Es fehlte mir
der Vergleich. Es fehlte mir ein Stück unberührten Stoffs aus der
gleichen Fabrikation. Darum wäre es spannend, am Ende der Aktion den
noch frischen und den gebrauchten Stoff nebeneinander liegen zu sehen.
Diese Stoffe sollen dann nach Abbruch der Installation den Behörden
übergeben werden.
Ich hatte eine markanter sichtbare Verschmutzung erwartet. Ja klar,
der Standort des gewählten Baums ist auch eher komfortabel. Am
Flussufer, im Fussgängerbereich, nicht an einer stark befahrenen
Strasse. Hier ist es beschaulich. Wie sähe der Stoff wohl aus, wenn er
an der Weststrasse, der Zufahrtsstrasse zur Autobahn, hinge? Dort
bekommt man allein vom Anblick der verrussten Hausfassaden schon
Hustenanfälle.
Die dichter gewobene Stofffahne mit dem Text „Ich bin auch eine Lunge“
empfand ich eher schmuddelig, wie wir hier in unserer Umgangssprache
sagen. Etwas schmierig, unappetitlich. Ihr Gewebe ist nicht durchlässig.
Dieser Augenschein zeigt, wie sich Verschmutzung einnistet. Sie
kommt schleichend, beinahe unsichtbar, aber stetig. Erst wenn sie
Krankheiten auslöst, wird sie thematisiert und auch dann noch nicht
immer von allen Verschmutzern für wahr gehalten.
Übrigens: Die Schipfe mit ihren Altstadthäusern in Zürich ist wegen der Kater-Jacob-Geschichten weltbekannt. Hier lebte Sven Hartmann,
der die Abenteuer dieser quirligen Katze zeichnete und noch immer
zeichnet. Immer wieder einmal sind an diesem Ort Touristen aus fernsten
Ländern anzutreffen, wie sie das Revier von Jacob nach den Giebeln und
Dächern absuchen. Auf www.kater-jacob.de ist manches darüber zu erfahren. Viel Vergnügen!
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