Montag, 24. September 2007

Eine Bratwurst regt zum Nachdenken über das Leben an

Kurz vor der Abfahrt setzte sich eine Frau zu mir ins Abteil. Wir reisten in der S-Bahn dem linken Zürichseeufer entlang. Genussvoll ass sie eine Bratwurst und schmunzelte. Sie habe Hunger gehabt, sei zufällig am Wurststand vorbeigekommen. Den würzigen Düften konnte sie nicht widerstehen. Wie wenn sie sich entschuldigen wollte, sagte sie noch: „So etwas macht man ja eigentlich nicht. Essen im Gehen, Essen in der Eisenbahn, das war für uns doch tabu.“ Diese Aussage verrät unser Grossmutter-Alter. Sie hatte mich ganz selbstverständlich auch in diese Erfahrungen einbezogen.
 
Sie sinnierte weiter: Alles sei heute einfach anders. Aber sie bewertete die Umwälzungen nicht. Das hat mir gefallen. Ich empfinde das Leben auch als eine fortwährende Entwicklung. Manchmal denke ich, zum Leben gehöre ein uns alle umfassendes Kaleidoskop, das sich in gewissen Zeitabständen bewege und uns neue Muster hinhalte. Darum finde jede Generation ihre eigenen, neuen Themen und Lebensmodelle, mit denen sie dem Paradies näherzukommen versucht. Zugegeben, Veränderungen sind auch Verunsicherungen und können mühsam und schmerzhaft sein.
 
Einmal alt geworden, können wir der irrigen Ansicht verfallen, jetzt seien dann alle Möglichkeiten, das Leben sinnvoll zu gestalten, erschöpft.
 
Aber nur darum, weil wir viele Modelle aufblühen und verwelken sahen, wird die Welt sicher nicht sofort untergehen.

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