Eine solche Arbeit ausführen zu dürfen, sei ein absoluter
Glücksfall, eine grosse Seltenheit. Das war die Meinung aller, die das
im Massstab 1:12 fertiggestellte Emmentaler Bauernhaus mit seinem
traditionellen Walmdach sehen konnten.
Die Anlage beansprucht einen Platz von ungefähr 3 Metern Länge. 4
Dachteile können abgedeckt und einzelne Fronten ausgehängt werden, wenn
alle Räume besichtigt oder vielleicht sogar das Puppenspiel in diesem
Haus beginnen soll.
Der mit Rosen bewachsene Torbogen führt in den vorgelagerten
Garten, der den richtigen Abstand zur prächtigen Hausfront schafft. Es
wachsen da Gemüse und Blumen. Ein Baum scheint alles Wachstum beschützen
zu wollen.
Auf der Wiese nebenan grasen Kühe. Und es springen Ziegen herum.
Schwungvoll um die Linde herum angelegt, führt ein breiter Fahrweg nach
oben in die Scheune. Sein geschlossenes Tor wirkt auf mich wie ein
Gesicht.
Alle Details an diesem Bauernhof sind getreu nachgebildet, auch
Innenarchitektur und Möblierung. Sprossen-Fenster, Fensterläden und
Türen können geöffnet werden. Mit Taschenlampen leuchteten wir dort, wo
die Fassade festgefügt war, durch Eingänge ins Innere und bewunderten
Parkettböden und Täfer nach alter Manier. Die Erbauerin redete von „Tausenden liebevoller Details“,
die sich hier aufgedrängt hätten. Es ist mir also unmöglich, sie alle
aufzuzählen. Nur eines noch: Auf der Kommode stehen sogar die
Hochzeitsfotos.
Wer bestellt ein solches Haus? Herr M. hat sich im Alter von 60
Jahren einen Kindheitstraum erfüllt. Auf Umwegen fand er zu
„rundumholz“, brachte eine kleine Holzkuh mit und bestellte für sie den
passenden Bauernhof. Und er wünschte, es solle ein Emmentaler Bauernhaus
werden.
Zu den Vorarbeiten gehörten Forschungen in Büchern, aber auch
solche vor Ort im Emmental selbst. Herr M. begleitete den Bau mit seinem
Wissen und der ihm eigenen Begeisterung. Der Auftrag vergrösserte sich
laufend.
Ihm ist zu verdanken, dass auch die Tierhaltung auf dem Hof richtig
dargestellt ist. Es gibt hier Ställe und Futtertröge für die Kühe, für
das Pferd, für die Schweine und Hühner. Ein liebenswürdiger Blickfang
auch der Brunnen für die Tränke oder der Miststock, auf dem die Hühner
ihr Futter finden. Es gehört zum Emmentaler Bauernhaus, dass Mensch und
Tier unter dem gleichen Hausdach wohnen.
Christina Kundert durfte dieses Haus bauen. Sie wendete
dafür mehr als 300 Arbeitsstunden auf. Sie und Claudia Furrer führen die
Schreinerei und den Laden „rundumholz“. Sie sind Geschäftspartnerinnen, doch jede der Schreinerinnen betreue ihre eigene Kundschaft.
Kundert sagte, nur dank Furrer habe sie diese Arbeit vollbringen
können, weil sie sich den normal anfallenden Arbeiten gewidmet habe. In
diesem Sinne sei es Zusammenarbeit und Furrer habe demzufolge auch
Anteil am Erfolg.
Die beiden Frauen arbeiten in einer mehr als 100-jährigen
Schreinerei-Liegenschaft, zu der auch ein Laden für Schreinereizubehör
gehört. Kundert sagte, sie habe die Werkstatt mit dem Laden übernommen,
weil dieser doch nicht sterben dürfe. Er ist ein Original und hat den
alten Charme bewahrt. In Fachkreisen ist er gut bekannt. Bei
„rundumholz“ kaufen Schreiner und Heimhandwerker gleichermassen
Grundprodukte für ihre Arbeiten ein. Getreu dem alten Leitsatz „Gute Arbeit mit guten Werkstoffen“.
Das Schaufenster mit Blick in den Ladenraum wird viel beachtet. Fertige
Arbeiten warten hier, bis sie abgeholt werden. Aber auch das Angebot
hinter den Türen der verglasten Schrankfront fasziniert. Ähnlich könnte
eine alte Apotheke ausgesehen haben. Allerlei Produkte (Leime, Lacke,
Beizen) und vorfabrizierte Holzteile (hölzerne Griffe, Knöpfe. Kugeln
usw.) liegen da bereit. Ebenso können hier verschiedenartigste Leisten
eingekauft werden. Tausende von Einzelteilen in Schränken und
Schubladen, auch hier. Vielleicht baut Christina Kundert eines Tages
auch ihren Laden in Puppenhausgrösse nach.
Hier brennt das Licht am Abend auch über die Weihnachtszeit hinaus.
Er ist ein richtiger Anziehungspunkt und wertet die eher graue
Müllerstrasse in CH-8004 Zürich auf.
Die beiden Schreinerinnen erzählen mehr über sich und ihre Arbeit auf www.rundumholz.ch
Ein Gast sagte zu mir: „Dieses Puppenhaus sollte an einem Ort stehen dürfen, wo Gotthelf-Lesungen stattfinden.“ Die
Nachbildung dieses traditionellen Emmentaler Bauernhofs löste auch bei
anderen Gästen ähnliche Reaktionen aus. Die Geschichten des
wortgewaltigen Albert Bizius, besser bekannt als Jeremias Gotthelf, lebten auf. Figuren aus verschiedenen Werken feierten an diesem Abend im Hause „rundumholz“ ihre Auferstehung.
Der Kunde, Herr M., der an diesem Abend zwar anwesend war, aber
unerkannt bleiben wollte, nimmt nun das Werk zu sich. Es wird ihn
glücklich machen. Christine Kundert aber muss Abschied nehmen. Das falle
ihr nicht leicht, gestand sie mir im Gespräch. Es werde ihr fehlen.
Diese schöne und mit Liebe geschaffene Arbeit wird eines Tages
gewiss noch eine weit grössere Aufmerksamkeit und Zuneigung erfahren,
denn sie ist Trägerin einer alten Wohn- und Lebenskultur.
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