Der Zug mit den Lichtern wird jedes Jahr grösser. Junge Familien
schätzen die Räbenlichter-Umzüge mehr und mehr. Es ist eine besinnliche
Manifestation, die in Zürich im November in vielen Quartieren ihre
Tradition hat.
Da werden dann die Strassenlichter für die Dauer des Umzuges gelöscht.
Verantwortliche aus den Quartiervereinen gehen mit Fackeln voran. Kinder
in Begleitung der Eltern tragen die ausgehöhlten und mit Schnitzereien
dekorierten, an Schnüren hängenden Räben (eine Sorte von Futterrüben)
durchs Quartier. In ihnen brennt ein Licht. Die Feuerwehr ist dabei, und
was uns allen immer ganz gut gefällt, sind jene Passagen auf sonst
stark befahrenen Hauptstrassen, die für die Umzugsdauer nur den
Fussgängern gehören dürfen.
Diesmal waren die Enkelkinder aus Paris angereist. Mena, die
4-Jährige, durfte ihre mitgestalteten Lichter tragen. Der Grossvater
schnitzte nach ihren Vorgaben die Motive in die Räbenhaut. Einige der
Dekorationen nannte Mena „artifices“, Kunstgebilde. Es gehörten
wie immer Sonne, Mond und Namen dazu, aber auch Häuser, Bäume, Blumen.
Mit einem Bleistift stupfte Mena winzig kleine Löcher in die Haut und
brachte zu unserem Erstaunen einen strahlenden Sternenhimmel hervor. Letizia
faszinierte uns mit einem Schneestern, den sie mit Hilfe einer
Guetzliform (Gebäck-Ausstechform) auf die Räbe zauberte. Der Kinderwagen
der kleinen Nora wurde auch mit Räbenlichtern dekoriert.
DieTee-Lichter in den ausgehöhlten Räben brachten ganz allgemein wieder
viele Kunstwerke zum Leuchten. Da immer auch Mütter und Väter aus
fernsten Ländern mitmachen, kommen neue Ideen dazu. Räbenlichter können
nicht fertig gekauft werden. Sie müssen selber geschaffen werden.
Gemeinschaftszentren bieten Hilfe an. Auch in Jugendgruppen werden
Kinder angeleitet. Wir bewunderten auch diesmal wieder viele Techniken
und sammelten Ideen fürs nächste Jahr. Die Räbenlichter-Tradition ist
wirklich ein kulturelles Ereignis und mobilisiert die Phantasie.
Als ich heute Abend wieder am Röschibachplatz vorbei kam, war es dort
ganz still, unwirtlich und dunkel. Es regnete. Hier stand der Umzug
letzte Woche still. Eine Jazz-Band steigerte die Festfreude. Die Kinder
staunten. Es war ein Zauber auszumachen.
Die Räben wurden selbstverständlich nach Gebrauch nicht fortgeworfen.
Jetzt hängen sie am Balkon von Letizias Wohnung, wo der Umzug jedes Jahr
durchkommt. Zwei sind in unserem Garten an Ästen der Kiefer aufgehängt
und werden jeden Abend mit neuen Lichtern gefüllt. Obwohl bereits etwas
geschrumpft, erfüllen sie weiterhin ihren Auftrag, Licht in die dunkle
Jahreszeit zu bringen.
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