Herbstnachmittag an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Sonne hat uns auch
in der Stadt erreicht. Die Luft ist dunstig. Die tief stehende Sonne
blendet. Die Menschen, die mir entgegenkommen, kann ich gar nicht
richtig wahrnehmen. Sie sind verschwommen.
Aber ich werde aufmerksam auf die Schatten. Das Trottoir ist wild
bevölkert von ihnen. Sie verdichten sich, gehen übereinander und wieder
auseinander. Ich erkenne, kurze Augenblicke lang, Silhouetten von
Köpfen, Körpern, Taschen, auch Veloräder machen an diesem Meeting mit.
Als Kinder sprangen wir unseren eigenen Schatten nach und konnten sie
nie erreichen. Aber in jenen der Freundin hinein hüpfen, das gelang. Der
eigene Schatten ist untrennbar an uns gebunden. Er ist eine Abbildung
von uns, wenn auch abstrahiert oder verzerrt.
Die Ausstellung „Schatten für Kinder (be)greifbar“,
hat mich für dieses Thema eingenommen und begleitet mich seither, wie
es eben nur der Schatten tun kann. Er ist immer da, wo auch das Licht
anwesend ist. Die Aufmerksamkeit den „ombres“ (Schatten) gegenüber,
bereichert seither alle Wahrnehmung. Ich besuchte die Installation im
Pariser Park de la Villette mit der 4-jährigen Mena. Zu Hause
inszenierten wir an den folgenden Abenden dann im dunklen Korridor
„ombres“ und kleine Schattenspiele mit Hilfe einer Taschenlampe.
„Ombres“ ist in meiner Familie nun ein geflügeltes Wort, hat eine
ähnliche Wirkung wie das überrascht gerufene „Obacht!“. Unsere
Beobachtung ist reicher, seitdem wir den Schattenwurf bewusster
wahrnehmen und einander zeigen.
Wenn ein Phänomen für die Kinder fassbar dargestellt ist, finden auch
Erwachsene leichten Zugang. Das habe ich erlebt und viele, vor allem
faszinierte Väter, gesehen. Mena war besonders angetan von der weissen
Wand, vor die man sich stellen und bewegen konnte. Sekunden danach
zeigte sich darauf die eigene Silhouette, die alle vorgängigen
Bewegungen in einem Gesamtbild vereinigte. Auch das gute alte
Schattentheater war ein Anziehungspunkt. Mir ist die Darstellung, wie
sich die Schatten auf unebenem Grund anpassen, in besonderer Erinnerung
geblieben.
Im Ausstellungsprospekt heisst es zu diesem Thema: „Eine Ausstellung
zur Beobachtung und zum Experimentieren mit den Phänomenen des
Schattens, dem Schlüssel grosser wissenschaftlicher Entdeckungen und der
Inspirationsquelle der Kunst.“
Ich bin gespannt, was ich aus diesem Thema noch alles schöpfen werde.
Hinweis
Die Ausstellung kann noch bis Dezember 2006 besucht werden. Adresse:
Cité des sciences et de l’industrie, Parc de la Villette, 30, Avenue
Corentin-Cariou, 75019 Paris.
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