Das habe ich nicht erwartet, dass ein Referat mit dem Titel „Ganz Ohr“
mein Gehör so stark sensibilisieren könnte, dass ich plötzlich
Hintergrundgeräusche und das, was ich wirklich hören will, viel besser
auseinander halten und Stille umfassender geniessen kann. Es geschah
ohne irgendein Training, allein als Folge eines anschaulichen und
spannenden Referats. Frau Gigi Ménard, dipl. Audiagogin
(Schwerhörigenlehrerin), sprach im Turmzimmer der Zürcher Predigerkirche
über das Hörorgan als das sozialste Sinnesorgan und wie wir
Hörstörungen besser verstehen können.
Alle Erläuterungen liessen sofort eine grosse Ehrfurcht aufkommen.
Ein Staunen über dieses Wunderwerk aus dem Zusammenspiel von Aussen-,
Mittel- und Innenohr. Daran beteiligt war ein handliches Rechteck aus
durchsichtigem Kunststoff, in dem die 3 Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss
und Steigbügel) eingegossen waren. Dieses in Händen zu halten, liess
Grösse, Perfektion und Vollkommenheit erfassen. Aber noch mehr
faszinierte mich die Gehörschnecke vom Ausmass einer kleinen Erbse aus
dem Innenohr.
Hörstörungen können entstehen, wenn in den Gängen dieser
winzig kleinen Schnecke Nervenfasern absterben. Dann findet der
eintreffende Ton seine ihm eigene Frequenz nicht mehr. Solche nicht mehr
ansprechbare Vokale werden dann anders wahrgenommen. Ein „i“ werde als
„u“ und ein „e“ als „o“ gehört. Es nützt also nichts, wenn wir mit
Schwerhörigen besonders laut reden und meinen, sie müssten uns doch
verstehen. Die Hörbehinderung wird nur noch mehr bewusst.
Verständlich wird, dass uns alte Menschen manchmal erstaunt und
fragend zuhören, aber nicht zugeben wollen, dass sie uns nicht
verstanden haben. Aber da liegen dann die Missverständnisse begründet.
Wer einfach ja sagt, um nicht eingestehen zu müssen, dass er oder sie
nicht verstanden hat, stimmt vielleicht etwas zu, was gar nicht gewollt
ist. Hören und verstehen gehören unabdingbar zusammen. Fehlt das
Verstehen, ist eine Person von den andern abgetrennt, also in der
Isolation und kann weder über ihr Befinden etwas mitteilen, noch
irgendwelche Gedanken austauschen.
Ein Hörgerät kann Isolation verhindern. Auch die Referentin bedient
sich einer solchen Hilfe, hat sie frühzeitig akzeptiert und wird gerade
darum als kompetent und als Vorbild wahrgenommen. Schwerhörigkeit könne
übrigens vererbt werden.
Als ich dieser Tage im Kanton Nidwalden mit einer Seilbahn wieder
ins Tal zurückfuhr und mein linkes Ohr noch mit dem Druckausgleich
beschäftigt war, hörte ich eine Weile nicht mehr gut. Diesmal nahm ich
den Vorgang ganz bewusst wahr und freute mich, als das Ohr wieder offen
und für alle Schwingungen normal zugänglich geworden war. Und ich
stellte mir vor, welche Teile an meinem Gehör gerade Schwerarbeit
geleistet haben.
Und was Frau Ménard noch unterstrich: Das Aussenohr sei
grundsätzlich selbstreinigend. Niemand solle mit Wattestäbchen,
Zahnstochern, Stricknadeln oder ähnlichen Werkzeugen in ihm
herumstochern. Der kleine Finger allein genüge für die Reinigung. Es
reiche, wenn wir nach dem Bad oder der Haarwäsche den Kopf zur Seite
neigen, das Ohr am Läppchen leicht ziehen und leicht ausschütteln. Zu
viel Reinigung ist schädlich, regt nur übertriebene Schmalzproduktion
an.
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