Donnerstag, 13. Juli 2006

Zufälle verdichten sich, lassen die Vergangenheit aufleben

Gleich zu Beginn möchte ich wieder einmal für den Zufall werben. Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm. Der Zufall ist für mich nicht „nur“ ein Zufall, sondern ein wichtiger Wink für mein Leben. Meist ist er ein Geschenk.

Der erste Zufall ereignete sich an einem Freitagmorgen im Mai 2006 auf dem Blumen- und Gemüsemarkt am Bürkliplatz in Zürich. Die Herkunftstafel am Stand eines Gemüsebauern wies auf das Dorf Dänikon im Wehntal hin. Da begann es in meinem inneren Archiv gleich zu knattern. Vor über 40 Jahren, als unsere erste Tochter zur Welt kam, war ich mit einer Frau aus Dänikon im gleichen Zimmer einquartiert. Sie hatte am selben Tag einen Sohn geboren. Er bekam den Namen Martin. Martin B. war auch der Name auf der hölzernen Tafel an seinem Stand. Als wir an die Reihe kamen, um einzukaufen, fragte ich zuerst, ob er am Tag so und so Geburtstag habe. Er stutzte, prüfte unsere Gesichter, überlegte, ob er eine so persönliche Frage überhaupt beantworten solle, sagte dann aber „Ja“ und gleich danach: „Herr Lorenzetti!“ Er hatte Primo erkannt.

Für weitere Gespräche blieb aber keine Zeit. Martins Angebote sind von feinster Qualität. Der Zulauf an Kundschaft ist enorm.

Zweiter Zufall: Am Tag danach las Primo in der Kolumne „Hier kocht der Chef“ von Peter Brunner (Restaurant Reblaube, Zürich) im Stadtmagazin „Züritipp“ einen lobenden Hinweis auf die aussergewöhnlichen Bohnen von Martin B.

Auf Martins Hinweis besuchte ich dann seine Mutter an einem Mittwoch auf dem Gemüse-Markt in Oerlikon. Auch dort sind Familie B. und ihre feinen Produkte regelmässig anzutreffen. Hier arbeitet die Mutter noch mit. Wir konnten uns eine halbe Stunde gönnen, für ausführliche Geschichten aus 4 Jahrzehnten warten wir auf den Winter. Wir beide haben Erinnerungen, die wir miteinander vergleichen und ergänzen wollen. Dafür ist ein Wintertag dann der rechte Zeitpunkt. Wer mit Lebendigem arbeitet, muss sich der Jahreszeit unterordnen.

Dritter Zufall: Ich ordnete Schränke in der Winde und stiess auf Schulhefte unserer Töchter. Letizia hatte kürzlich danach gefragt. Jetzt konnte ich die ihren abgeben. Heute nun meldete sie amüsiert, im Aufsatzheft sei der Besuch bei Familie B. in Dänikon beschrieben. Sie las mir vor:

10. Februar 1980
Die ganze Familie ging über den Altberg nach Dänikon zu Familie B. Es gab Vanillecrème und Fruchtsalat. Hm! Das war fein. Etwa um 5 Uhr gab es ein Telefon. Frau B. rief: „Was?...Wo?? Ich will meinen Mann schicken. Adiö!“
 

„Willi, es brennt beim Fritz im alten Haus.“
 

Alle schoben die Vorhänge auf die Seite. Wir sahen den Rauch. Frau B. rannte die Treppen hinauf und holte die Feuerwehr-Uniform. Martin stellte die Sirene ein. Die tönte aber schrill. Von allen Seiten rannten Leute herbei. Herr B. sagte: „Martin, du gehst in den Stall.“
 

Dann rannte auch er fort. Auf der Strasse zog er den Gürtel an. Martin kam mit dem Traktor gefahren, damit die Motorspritze angehängt werden könnte. Ein paar Bauern hatten unten die Stallhosen und oben den Feuerwehrhelm angezogen.
 

Wir blieben im Haus.

Nach ca. einer halben Stunde kam Herr B. wieder und sagte: „Ein Auto ist in der Werkstatt verbrannt. Es sah gar nicht schön aus.“

Alle waren erleichtert.


Ich jetzt auch, weil mir der Zufall noch Stoff für einen Beitrag fürs Blogatelier lieferte.

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