Der Ursprung des Namens Gemshorn sei unbekannt, erfuhren wir noch vor
der Aufführung. Es handle sich hier nicht um das Horn von der Gemse,
die jetzt übrigens Gämse oder Gams heisst, sondern um Instrumente aus
Rinderhörnern. Natürlich gewachsen und als Form belassen, keines gleich
wie das andere, aber alle von weichem, tragendem Klang.
Seit 10 Jahren treffen sich die Gemshornspielerinnen und -spieler
(hauptsächlich Frauen) aus kleinen und grösseren Ensembles aus
Wuppertal, Köln und Bochum einmal im Jahr, um Erfahrungen auszutauschen
und gemeinsam zu musizieren. Als Abschluss gestalteten sie in der
Evangelischen Kirchgemeinde Köln-Buchheim am 18. September 2005 eine
musikalische Vesper mit Werken aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Die Klänge dieser rund 60 Gemshörner, teilweise unterstützt von einer
grossen Bassflöte, entführten uns in alte Zeiten, als die Menschen
Himmel und Erde noch als eine Ganzheit erfuhren. So drückten es die
Texte einzelner Lieder aus. Es liess sich gut auf der Welle dieser
Harmonie abheben und zeitweise mitsingen.
Als die Cornamusen dann auftraten, erwachte ich aufgeschreckt in der
Gegenwart. Fremde, aber faszinierende Töne! Sie könnten dem Dudelsack
entsprungen sein, zeitweise wie kurze Schreie oder gedehntes Stöhnen.
Noch nie gehört oder bewusst wahrgenommen. Erstaunt habe ich später
erfahren, dass der Cornamusen-Klang nicht ganz perfekt dahergekommen
sei. Und mir hat gerade diese leicht schräge Einlage speziell gut
gefallen.
Je älter ich werde, desto mehr kann ich mich am Ungereimten und
Unvollkommenen freuen, sofern es in homöopathischer Dosis auftritt.
Leben ist so, kann nicht in strenge Ordnungen oder Denkmuster
eingezwängt werden. Auch die natürliche Form des Instruments passte zum
Eindruck, den mir die Töne vermittelten. Mir fiel sofort auf, dass es
etwas Eigenwilliges, Gewachsenes behalten durfte und nicht in die
strenge Gerade gezwungen wurde, wie das z. B. bei der Blockflöte üblich
ist.
Dass ich in der Grossstadt Köln mit Rinderhörnern in Kontakt kommen
würde, hatte ich nicht vorausgesehen. Es ist das Verdienst von Freunden.
Nur sie können einen an ihnen bekannte Orte und zu leisen Tönen führen.
Der normale Tourismus kann das nicht.
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